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Richard Yates
Eine strahlende Zukunft
Deutsche Verlags-Anstalt

Ob in „Zeiten des Aufruhrs" oder „Eine besondere Vorsehung" oder in seinen Erzählungen, immer wieder sind Richards Yates' Geschichten des Scheiterns auch seismographische Aufzeichnungen aus dem Ehealltag. Ein Paar verliebt sich, heiratet, ein Kind wird geboren: Man kommt durch, man kommt zurecht, die Kinder kommen zur Welt und schon bald bleibt man bloß noch wach, bis es Zeit ist schlafen zu gehen. Der angehende Schriftsteller Michael Davenport will sich nicht vom Reichtum seiner Frau korrumpieren lassen. Aber die Rückschläge häufen sich, eine Schreibblockade jagt die nächste. Auch seine Frau Lucy versucht sich vergeblich in den Künsten. Das Ringen um Athentizität, darum, „Farbe zu bekennen", wie eines von Michaels Gedichten heißt, steht im Zentrum dieses leisen, aber sehr intensiven Romans, der stark autobiographische Züge trägt. Yates hat keine Angst vor den Ängsten und beschreibt ungeschminkt, wie seine Protagonisten, wie wir damit umgehen: indem wir versuchen, sie zu verdrängen. Alkohol, Affären, die Flucht in die Jagd nach Anerkennung helfen nur scheinbar, und schließlich ist es die Erkenntnis, dass es nur noch Einsamkeit ist, die jedem Einzelnen bleibt. Allerdings mit der Hoffnung, dass sie die Menschen wieder zusammenbringt. „Young hearts crying", so der Originaltitel, ist ein bewegender, wunderschön-trauriger Roman, der 30 Jahre nach seinem Erscheinen und 22 Jahre nach Yates' Tod zeitlos und zugleich bestürzend aktuell ist. be

496 Seiten
22.99€

  strahlende zukunft

 

   

Donna Tartt
Der Distelfink
Goldmann Verlag

Was für ein Buch! Eine Autorin, die den Thriller ebenso beherrscht wie den Bildungsroman, die scheinbar mühelos Intellektualität und Unterhaltung in einem meisterlichen Entwicklungsroman zum Leuchten bringt. Und wie nebenbei auch ein Sittenbild Amerikas nach 9/11 entwirft, in dem die Frage Wer sind wir? In der emotionalen Odyssee eines Halbwaisen gespiegelt wird. Theo Decker verliert mit dreizehn Jahren seine Mutter bei einem Bombenanschlag in einem New Yorker Museum. Er selbst, traumatisiert, kann sich befreien und nimmt das titelgebende Bild mit, das für seine Mutter das erste Bild war „das ich jemals wirklich geliebt habe". Mit diesen prägnanten Geschehnissen wird der Roman eröffnet, der als Rückblende erzählt wird und Theo vierzehn Jahre nicht mehr von der Seite weicht. Der Leser lebt und leidet mit einem Heranwachsenden, der sich orientierungslos durchs Leben treiben lässt und Schutz und Halt in einer Ersatzfamilie, bei einem russischen Schulfreund, bei seinem spielsüchtigem Vater, bei einem Antiquitätenhändler und in den Erinnerungen an seine Mutter sucht. Er ist ein lesehungriger Junge, der irgendwann das Buch mit den Drogen tauscht, irgendwann weicht der Trost in der Schönheit der Künste dem Schmutz der kriminellen Geschäftspraktiken. In einer fulminanten Detailfreude, die von einer präzisen, kristallklaren und empathischen Sprache getragen wird, zeigt Donna Tartt ihre Könnerschaft. Das Rätsel der Identität, die immer wieder am Schicksal, an den Zufällen und den selbst entworfenen Plänen zu scheitern droht, will Tartt nicht lösen: Wir können uns nicht aussuchen, wer wir sind, sagt Theo. Aber es ist herrlich und ein Privileg, das zu lieben, was der Tod nicht anrührt, sagt er als einer der letzten Sätze des Buches. Und davon handelt dieser grandiose Roman eben auch: Es lohnt sich zu kämpfen für das, was man liebt. be

1024 Seiten
24.99€

  distelfink

 

   

Siri Hustvedt
Leben, Denken, Schauen
Rowohlt Verlag

Sie macht es dem Leser nicht leicht: Die intellektuelle Vagabundin, als die sich Siri Hustvedt bezeichnet, mutet ihm in ihrem Essayband durchaus komplizierte Forschungsergebnisse aus verschiedenen Wissensgebieten zu. Aber – und da ist Hustvedt als Erzählerin at its best – sie erzählt es leicht wie eine Novelle, ohne Fachsprache und ohne eitlen Eifer. Gelehrt und dem Wesen der Essays gemäß, versucht sie auf den Grund ihrer Denkexperimente zu kommen. Recherche und Neugier treiben sie an, aber vor allen Dingen ihre intellektuelle Lust an der Kunst, an der Neurowissenschaft, an sich selbst als Schriftstellerin, Mutter, Patientin und (Ehe)Frau. Zwischen 2006 und 2011 entstanden, sind die Essays in drei Bereiche geordnet: Unter ‚Leben' findet sich Autobiografisches, ‚Denken' ist dem freien Reflektieren über das Lesen und die Sprache vorbehalten; der Bereich ‚Schauen' versammelt Kunstbetrachtungen unterschiedlichster Künstler. Dieses Buch ist eine erstaunlich klare, kluge und elegante Selbsterkundung, das Dokument einer schonungslosen Selbstbefragung. Nicht nur sich selbst, auch den Leser verwickelt sie in eigene Erinnerungs- und Imaginationsprozesse. Die großen Fragen (Wovon sprechen wir, wenn wir das Wort selbst gebrauchen?) als auch die sehr privaten Schilderungen (die Geburt ihrer Tochter) verbinden sich zu einem fabelhaften Archiv der Empfindungen und des Wissens. be

496 Seiten
24.95€

  hustvedt

 

   

A. M. Homes
Auf dass uns vergeben werde
Kiepenheuer & Witsch Verlag

Ein ironisch bissiger Roman um Lebenskrisen und zweite Chancen: Wie von der US- Bestsellerautorin A.M.Homes gewohnt, unerbittlich und sarkastisch, zeigt sie in ihrem neuen Roman einen Reigen menschlicher Schwächen und Mängel in einem Wechselbad teilweiser extremer Gefühle. George Silver lebt in einem feinen New Yorker Vorort, hat alles wovon sein Bruder Harry träumt: Erfolg im Beruf, Wohlstand, eine funktionierende Ehe. Dann verursacht George einen tödlichen Unfall, erschlägt kurz darauf seine Frau und wird in die Psychiatrie eingewiesen. Was sich daraus für Harry entwickelt, (Arbeitslosigkeit, Affären, Entführung und Mord) erzählt Homes als schnörkellosen, witzig-schrägen und unerbittlichen Familienroman – ein Strudel aus bizarren, manchmal atemlosen Abenteuern. „Wir halten fast alles für eine Beziehung, eine Art Gemeinschaft, doch innerhalb unserer Familien, unserer echten Gemeinschaften sind wir vollkommen ahnungslos." Harry Silver baut nach und nach eine Wahlfamilie um sich, in der neue, innige Beziehungen möglich werden und nach den Katastrophen eine Chance für einen Neuanfang gegeben ist. Unter all den rührenden, abstrusen und lächerlichen Momenten wird die amerikanische Gesellschaft in einem Gefühlsraffer sichtbar, eine Tragikomödie mit einem Ende wie ein Gebet: möge uns vergeben werden. be

672 Seiten
22.99€

  homes

 

   

Ernst Piper
NACHT ÜBER EUROPA
Propyläen


Bücher über den Ersten Weltkrieg haben in diesem Jubiläumsjahr Konjunktur. Ob Ernst Pipers „Nach über Europa" es auch in die Bestsellerlisten schaffen wird? Seine Kulturgeschichte dieses „Grossen Kriegs" ist jedenfalls ein höchst lesenswertes und auch lehrreiches Buch.
Bei Piper geht es nicht um die Schlachten an der Somme oder um den Stellungskrieg vor Verdun, es geht nicht um das Versagen der Diplomatie und des Militärs in Berlin und Wien, in Paris und Sankt Peterburg und es geht auch nicht um die Kriegsschuldfrage. Der Berliner Historiker schildert vielmehr das Versagen der europäischen Eliten vor 100 Jahren. Er beschreibt höchst eindrucksvoll und anhand vieler anschaulicher Beispiele, wie seriöse und berühmte Literaten, ja sogar Literaturnobelpreisträger wie Gerhart Hauptmann oder der Brite Rudyard Kipling, in einen nationalistischen Taumel des Hasses und der Kriegstrunkenheit verfielen. Sie und viele andere, von Thomas Mann und dem Berliner Theaterkritiker Alfred Kerr bis hin zu dem brandenburgischen Dichter Richard Dehmel und dem Heideschriftsteller Hermann Löns, führten sie einen Krieg mit der Feder – und des verirrten Geistes.
Ergreifend berichtet Piper auch über die Verluste. Zahlreiche Künstler meldeten sich freiwillig an die Front. Der frühen Begeisterung folgte die tödliche Ernüchterung. Kein Krieg hat eine so breite Blutspur in der europäischen Kulturlandschaft hinterlassen wie der Erste Weltkrieg. Die Maler August Macke, Franz Marc und Egon Schiele, die Schritsteller Charles Peguy, Thomas Ernest Hulme, die Dichter Henri Apollinaire und Georg Trakl – grosse Namen wurden Opfer dieser „Jahrhundert Katastrophe".
Ohne Zweifel gehört Ernst Pipers „Nacht über Europa" zu den wichtigen Neuerscheinungen zum Thema Erster Weltkrieg.

592 Seiten
26.99€

  piper europa

 

   

Stefan Wolle
Die heile Welt der Diktatur
Alltag und Herrschaft in der DDR 1949-1989
Ch. Links Verlag


Die dreibändige Schuber-Ausgabe über »Alltag und Herrschaft in der DDR« umfasst den kompletten Zeitraum von 1949 bis 1989. Nach seinem Erfolgstitel »Die heile Welt der Diktatur« über die Ära Honecker folgte 2011 »Aufbruch nach Utopia« über die 1960er Jahre. Die Trilogie wird nun mit dem Band »Der große Plan« über die Aufbauzeit in den fünfziger Jahren zu einer Gesamtschau vollendet. Mit dem Schuber verbunden ist die Lizenz für ein Gratis E-Book von Stefan Wolles Buch über das Jahr 1968 in der DDR: »Der Traum von der Revolte«, das 2008 erstmals erschien.

Stefan Wolle schreibt unakademisch und seine Bücher sind gespickt mit kleineren Geschichten, die jeweils symptomatisch sind für ihre Zeit. Das heißt, Wolle verbindet Alltagsgeschichte, Kulturgeschichte, Sozialgeschichte und politische Geschichte auf originelle Weise. Diese drei Bände gehören zum Besten, was es an Literatur über den SED-Staat gibt.
Stefan Nölke, mdr figaro

Stefan Wolle ist ein schwungvoller Geschichtserzähler. Er lässt wissen und spüren, schreibt Geschichte von oben wie von unten, mit sarkastischem Sinn für die Bauchklatscher der Ideologie.
Christoph Dieckmann, Die ZEIT

1360 Seiten
59.90€

 

  wolle ddr geschichte trilogie

 

   

 

Paul Auster
Winterjournal
Rowohlt.

„… und dann geht es los, und eins nach dem anderen passiert dir genau so, wie es jedem anderen passiert.“ Für Paul Auster ist sein Erinnerungsbuch Winterjournal ein „Katalog von Sinnesdaten“. Er beschreibt darin seine Existenz als physisches Individuum, sein Leben durch das Prisma des eigenen Körpers. Wie eine Vergewisserung seiner selbst betreibt er eine Art Inventur, er listet u. a. die Wohnungen auf, in denen er bisher lebte, mit welcher Freundin er wo und wann geschlafen, und wo und wie sein Körper sich aufgehalten und bewegt hat. Was wie eine buchhalterische Auflistung klingt, ist in Wahrheit die Entdeckung eines Durchschnittsbürgers in der Haut eines berühmten Schriftstellers. Oder umgekehrt. In diesem meisterhaft konstruierten Winterjournal spricht Auster sich selbst als ‚Du‘ an, ein geschickter erzählerischer Kniff, durch den die feine Linie zwischen Fiktion und Wirklichkeit manchmal rätselhaft aufgebrochen wird. Als Leser wird man hier zum Partner eines Schriftstellers, der einen ganz nah an seine Seite holt, und diese Chance bereitet ein glückliches Leseerlebnis. be

256 Seiten
19.95€

 

  auster winterjournal

 

   

Peter Bieri
Eine Art zu leben. Über die Vielfalt menschlicher Würde
Hanser.


„Philosophie, wie ich sie verstehe, ist der Versuch, begriffliches Licht in wichtige Erfahrungen des menschlichen Lebens zu bringen." Peter Bieri hat ein Buch über den von uns immerzu und jederzeit verwendeten Begriff „Würde" geschrieben. Herausgekommen ist keine philosophisch, historische Begriffsgeschichte, keine akademische, theoretische Abhandlung, sondern ein Buch, dass Klarheit und Verstehen vermittelt, „wie es ist auf eine be-stimmte Art und Weise ein menschliches Leben zu leben". Würde versteht Peter Bieri nicht als eine dem Menschen innewohnende Eigenschaft oder eine Sache, die sich metaphysisch erklären ließe. Würde hat etwas mit handeln, mit leben zu tun und fächert sich in drei Di-mensionen auf: Wie stehe ich zu oder behandle ich andere? Wie stehen, behandeln andere mich? Und wie verhalte ich mich zu mir selbst? Mit welchem Tun bewahren wir Menschen Würde, mit welchem Tun gefährden oder verspielen wir sie gar. Mit seiner klaren, unver-wechselbar schönen Sprache nimmt uns Peter Bieri an die Hand und zeigt uns an einer Fülle ganz konkreter Beispiele aus Literatur; Film und eigener Erfahrung, worin dieses „hohe Gut der Würde" besteht.
Dieses Buch zu lesen bedeutet das reine Glück, weil Sie etwas vom Wichtigsten Ihres Le-bens verstehen werden. Sie werden es zu Ihrem und Ihrer Lieben Begleiter machen und es wird Sie und Sie werden es nie mehr ganz loslassen. sg

384 Seiten
24.90€

   bieri wuerde

 

   

Taiye Selasi
Diese Dinge geschehen nicht einfach so.
Fischer.

Taiye Selasi ist eine amerikanische Autorin mit afrikanischen Wurzeln. Beide Eltern stammen aus Ghana. Sie erfand den Begriff „Afropolitan" für Weltbürger afrikanischer Herkunft.
Die Dinge geschehen nicht einfach so ist ihr erster Roman. Erzählt wird die Geschichte des ghanaischen Chirurgen Kwaku Sai, der mit seiner Frau und den vier Kindern an Amerikas Ostküste ein ganz „normales" Leben führt. Sie haben es geschafft: Kwaku ist erfolgreicher Arzt, die Kinder sind begabt und schön, alle sind integriert, jedenfalls scheinbar. Bis Kwaku eines Tages seinen Job verliert: Bei einer Operation passiert ein Fehler. Kwaku, zwar nicht verantwortlich, ist schwarz und muss gehen. Er verliert seine Arbeit und verlässt aus Scham seine Familie, ohne ein einziges Wort zu sagen. Alle Bindungen brechen auseinander, die Familienmitglieder werden über den Globus zerstreut. Erst Jahre später treffen alle beim Begräbnis Kwakus in Ghana wieder zusammen und es entsteht erneut Nähe. Erst ganz langsam, die Autorin erzählt nicht chronologisch, dafür aber multiperspektivisch, wickelt Selasi das ganze Familiendrama aus: Aufstieg, Integration, Rassismus, Absturz, Entfremdung, Entwurzelung, Aneignung von Herkunft und Vergangenheit und so etwas wie Versöhnung. Taiye Selasi beherrscht eine sehr ausdrucksstarke, emotionsgeladene, differenzierte und rhythmisch wie dramaturgisch eindringliche und ungewohnte Art des Schreibens. Weltliteratur nicht-westlicher Prägung. Sehr Beeindruckend! sg

400 Seiten
21.99 €

   selasi dinge

 

   

Hannah Arendt
Wahrheit gibt es nur zu zweien.
Piper.

„Ob ich zur Freundschaft fähig bin, weiß ich nicht. Aber fähig bin ich dessen, was Rahel Varnhagen einmal suchende Treue genannt hat."
1933 musste Hannah Arendt Deutschland verlassen und führte seither ein unstetes Leben. Amerika wird zum Fluchtpunkt für die verfolgte Jüdin; der Heimatbegriff bleibt problematisch. Wie wichtig ihr die Freunde sind, bezeugt diese Zusammenstellung von Briefen aus den Jahren 1928 bis 1975. Unter den Adressaten befinden sich Walter Benjamin, Karl Jaspers, Martin Heidegger, ihr zweiter Ehemann Heinrich Blücher (Freunde bezeichneten diese Ehe als „Doppelmonarchie"), der junge Uwe Johnson und Hans Jonas, der ihr ein besonderes Talent zur Freundschaft bescheinigte. Gerade mit Jonas aber kam es zum Bruch, als Hannah Arendt für den „New Yorker" vom Eichmann-Prozess in Jerusalem berichtete, und es sollte Jahre dauern, bis sie wieder zueinander fanden. Es ist anrührend zu lesen, wie Hannah Arendt für jeden ihrer Korrespondenzpartner eine eigene Tonlage findet: ein beeindruckendes Dokument und Zeugnis der „suchenden Treue". gw

464 Seiten
29.99 €

   arendt wahrheit

 

   

Per Olov Enquist
Das Buch der Gleichnisse. Ein Liebesroman.
Hanser.

„Wenn er schrieb, hatte er nie Angst, aber nur dann", heißt es gleich auf der ersten Seite dieses Buches und diese Worte sind es, die wir Leser im Kopf behalten sollten, bei allem, was Per Olov Enquist schreibt. Es ist, nach dem autobiographischen Roman Ein anderes Leben – das schon länger als Taschenbuch vorliegt und unbedingt empfehlenswert ist –, ein erneuter Versuch zu verstehen, was im Leben eines Menschen dazu führt, so in der Welt zu sein, wie er es ist. Enquist begibt sich auch in diesem Roman wieder hinab zu den tiefsten der tiefen Schmerzens- und Glückserfahrungen, die wir Menschen zwangsläufig machen. Herkunft und Kindheit, durchdrungen von einer puritanischen, äußerst strengen Sexualmoral, können nicht verhindern, dass die „rätselhafte Wahrheit der Liebe" zum Grunde des Verständnisses dieses Lebens und vielleicht jeden Lebens führt. Der Weg zu dieser Wahrheit führt allein über das Schreiben. „Die Liebe, sagten sie mit ihren brüchigen, dünnen Stimmen, die können wir nie erklären. Aber willst du es nicht versuchen?" Per Olov Enquist hat es versucht, und wenn Sie diesen Autor lesen, werden Sie mit dem Schönsten beschenkt, was einem Leser widerfahren kann: Sie werden das elektrisierende Gefühl haben, etwas nahezu Unergründ-bares ein wenig besser verstehen zu können. Wenigstens einen Moment lang." So war es mit dem Einfachen. Es war wie Selbsterlösung." Ein kunstvoll komponiertes Buch, eine „schwe-bend fragile" Vergewisserung, ein tief beeindruckendes Buch! sg

224 Seiten
18.90 €

   enquist gleichnisse

 

   

Manfred Geier
Geistesblitze. Eine andere Geschichte der Philosophie.
Rowohlt.

Der Publizist, erfahrene Biograph und Philosoph Manfred Geier interessiert sich für jene außergewöhnlichen Momente und deren Bedingungen in der Philosophie, aus denen heraus „blitzartig" grundlegend Neues formuliert wird. Anhand der Lebensgeschichte von sieben Denkern, mit denen Geier zentrale ideengeschichtliche Entwicklungen und Begriffe verbindet, führt er chronologisch und schlaglichtartig durch die europäische Geistesgeschichte: Parmenides verknüpft er mit „Sein", Descartes mit „Ich", Rousseau mit „Natur", Kant mit „Moral", Johann Georg Hamann mit „Sprache", Nietzsche mit „Leben" und Popper mit „Wissen". Dabei ist er sich der Subjektivität seiner Auswahl und einer eventuell übermäßigen Fokussierung auf den einzelnen Denker deutlich bewusst. Der Gewinn dieser Art der Darstellung liegt in den immer wieder wunderbar originellen und freien Querbezügen zwischen Leben, Personen und Gedanken. Geier bewegt sich zudem absolut souverän und seriös in der Begriffsgeschichte, klug und lebendig weiß er von den Lebens- und Leidensum-ständen der Philosophen zu erzählen. Seine gründliche Quellenkenntnis lässt sich auch an dem schmalen aber gut nachvollziehbaren Anmerkungsapparat erkennen.
Ein spannendes Buch für die Wintercouch – für philosophische „Jung- und Althasen" gleichermaßen gut geeignet. mc

288 Seiten
19.95 €

   geier geistesblitze

 

   

John Williams
Stoner
DTV

Ein wiederentdecktes literarisches Kleinod! 1967 das erste Mal in Amerika erschienen, dann irgendwie ein Geheimtipp geworden und geblieben, in Deutschland in diesem Jahr herausgekommen.
John Williams, Literaturprofessor und Schriftsteller (1922-1994) erzählt die Lebensge-schichte von Stoner, der als einziger Sohn eines Farmerehepaares in Amerika aufwächst, Landwirtschaft studiert, sich aber überraschend der englischen Literatur zuwendet, also den vorgezeichneten Weg verlässt, schlussendlich Professor wird, heiratet, Familie gründet etc.
Man kann nur staunen über die gestalterische Gabe des Autors. Wie diskret, nüchtern zurückhaltend und still gelingt es ihm, uns an den Kämpfen seiner Hauptfigur – im beruflichen Feld, wie in seinen Beziehungen – teilnehmen zu lassen. Wir erleben einen Mann, der aufrecht – nicht selten stoisch – das meiste, das ihm widerfährt, erträgt oder sich dagegen – häufig zu seinem Nachteil – auflehnt und so beinahe in allem scheitert. Dieses Leben, so un-bedeutend und spurlos es scheinbar verläuft, hat Größe, ebenso wie die Fähigkeit des Autors, es darzustellen. Und egal, ob wir es einen Entwicklungs-, Ehe-, Gesellschafts- oder Campusroman nennen wollen, eines ist sicher: Trotz des ernsten Themas ist es eine beglückende Lektüre. kp

352 Seiten
19.90 €

   williams stoner

 

   

Anne Applebaum
Der Eiserne Vorhang. Die Unterdrückung Osteuropas 1944-1956.
Siedler.

Das Urteil vorweg: Anne Applebaum hat ein hoch informatives, exzellent erzähltes, wichtiges und notwendiges Buch vorgelegt. Auf 600 Seiten schildert die amerikanische Historikerin und Journalistin die politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Usurpation der Länder Polen, Ungarn und Ostdeutschland bzw. DDR durch die Sowjetunion als Kriegsbeute. Schon der Titel des ersten Teils deutet die osteuropäische Entwicklung an: „Falsche Morgenröte" verweist auf die vielfachen Hoffnungen, nach Krieg und Hitlerfaschismus eine bessere Gesellschaft aufzubauen. Im zweiten Teil unter dem Titel „Hochstali-nismus" werden diese Hoffnungen zunichtegemacht durch die gewaltsame Zerstörung der bürgerlichen Gesellschaften und die Schaffung eines einheitlichen „Homo Sowjeticus". Dabei gab es in den verschiedenen osteuropäischen Ländern durchaus Unterschiede (Polen z. B. war Kriegsverbündeter, die DDR Teil Nazi-Deutschlands), doch am Ende waren die Methoden beim „Aufbau des Kommunismus" überall ähnlich brutal.
Anne Applebaum ist eine kongeniale Autorin. Sie lehrt Geschichte in London, schreibt eine Kolumne für die „Washington Post" und lebt als Ehefrau des polnischen Außenministers Sikorski in Polen. Als Journalistin schreibt sie spannend, als Historikerin garantiert sie Seriosität. at

640 Seiten
29.99 €

 

   applebaum vorhang

 

   

Tanja Langer
Der Maler Munch
LangenMüller

„Ihre Bilder wissen mehr als Sie", sagt der Arzt Daniel Jacobson zu Edvard Munch, und wenn wir Leser Tanja Langers eindringlicher Romanbiografie über diesen Maler 230 Seiten gefolgt sind, wissen wir, dass seine einzigartigen Bilder tatsächlich etwas entbergen, für das Munch selbst das beste Vorbild abgab: ein schonungsloser Blick aufs Leben, radikaler Mut, Leidenschaft bis in die Extreme, kompromisslose Hingabe. Tanja Langer folgt dem Menschen Munch und seinen Werken; Paris, Berlin, Warnemünde, ein Aufenthalt in einer Nervenklinik, die letzten Jahre wieder in Norwegen – Stationen, in denen das Leben und die Kunst existentiell ausgelotet werden. Durch Langers sogartige, einfühlsame Sprache ver-meint der Leser, dem Maler direkt über die Schulter schauen zu können und glaubt schließlich zu sehen, was Munch sah. Es gelingt der Autorin das ungemein leuchtende und sinnliche Porträt eines Genies. Man möchte sofort ins Munch-Museum nach Oslo und ihn mit anderen Augen neu entdecken. be

231 Seiten
18.00 €

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Thomas Brasch
Die nennen das Schrei
Gesammelte Gedichte
Suhrkamp

Was für ein Buch: mit knapp einem Kilo liegt es nicht eben leicht in der Hand. Aber leicht hat es dieser 2001 mit 56 Jahren verstorbene Erzähler, Lyriker, Dramatiker und Übersetzer sich und anderen nie gemacht, wie unlängst auch in Marion Braschs bewegendem Familienroman „Ab jetzt ist Ruhe“ nachzulesen war. – Nun liegt Thomas Braschs lyrisches Werk in einem Band vor. Er umfasst nicht nur die bislang erschienenen, zum Teil längst vergriffenen Bände (darunter das legendäre „Poesiealbum“, seine einzige Lyriksammlung in der DDR), sondern auch eine Vielzahl verstreut gedruckter Gelegenheits- und Widmungsverse, etwa an seinen ebenfalls viel zu früh verstorbenen Bruder Peter oder an seine langjährige Gefährtin Katharina Thalbach. Vor allem aber haben die Herausgeberinnen Martina Hanf und Kristin Schulz Hunderte von Gedichten aus dem umfangreichen Nachlass erstmals in den Druck gegeben. Und schmerzhaft wird deutlich, wie sehr diese Stimme fehlt. Die zornige, schroffe, an den Leitsternen Rimbaud und Bob Dylan geschulte. Die leise, zärtliche: nicht wenige der Liebesgedichte haben das Zeug zum Volkslied.

Mehr als 1000 Seiten Brasch und keine einzige zu viel: was für ein Buch. gw

 

1029 Seiten
49,95€ 

 

  brasch schrei

 

   

 

Uwe Timm
Vogelweide
Kiepenheuer & Witsch

„Es war ihr Blick, überrascht, in dem er sich wiederfand.“ „Der glückhafte Augenblick“, wie er ihn später, auf der einsamen Insel in der Elbmündung, Vögel im Dienste der Natur klassifizierend und Angeschwemmtes aufsammelnd, erinnert, währte nicht lange. Christian Eschenbach und Anna, beide in glücklicher Beziehung oder Ehe lebend, haben ihm, dem Blick, nicht widerstanden, wider besseres Wissen, gegen alle Vernunft. Und so erfahren wir in diesem Roman von der lust- und leidvollen Geschichte zweier Paare, dieam Ende als solche nicht mehr existieren. Eschenbach stürzt tief, das allerdings mit erstaunlicher Gelassenheit: er ist am Ende allein, arm aber glücklich und sich an das gestohlene Glück erinnernd.
Uwe Timm hat einen Roman geschrieben, in dem es um nichts weniger geht als zu entscheiden, was richtig und was falsch ist in der Liebe.Aus einem für uns ach so moderne Menschen vermeintlich banalen Stoff schafft Uwe Timm dank seiner Genauigkeit, seiner großartigen Textchoreographie, seiner Diskretion einen unsentimentalen, unaufgeregten und melancholisch witzigen Roman: lebensphilosophisch untermauert und voller Geschichten in der Geschichte.
„Der glückhafte Augenblick“ wird jener sein, wenn Sie dieses Buch zur Hand nehmen und anfangen zu lesen. sg

 
335 Seiten
19.99€

 

   timm vogelweide

 

   

 

Clarice Lispector
Nahe dem wilden Herzen
Schöffling


Clarice Lispector (1920–1977) bezeichnet man gerne als die brasilianische Virginia Woolf. Sie braucht diesen Vergleich weder zu scheuen, noch ist sie auf ihn angewiesen. Ihr Debütroman »Nahe dem wilden Herzen“ (1943) erzählt Joanas Geschichte: Joana, erst Mädchen, dann junge Frau ist immer wieder bemüht, ihr Inneres mit einem absurd wirkenden Außen in Einklang zu bringen und doch sie selbst zu bleiben. Das Außen, das ist der Vater, der niemals Zeit hat. Die Mutter ist nur eine rätselhafte Erinnerung und die matronenhafte Tante ist schockiert von ihrer geistigen Freizügigkeit: Der Ehemann, der von ihrer geistigen Wildheit fasziniert ist, aber nur bei seiner Geliebten Ruhe findet. Das ist die Welt, in der Joana sich bewegt, doch die eigentliche Handlung findet in ihrem Inneren statt und beschreibt den Weg zu ihrem eigenen „wilden Herzen“.
Im Schöffling-Verlag erscheint außerdem erstmals in deutscher Sprache der Roman „Der Lüster“ (368 Seiten/ 22,95€) sd

272 Seiten
19,95 €


 

   lispector wilden herzen

 

   

 

Nickolas Butler
ShotGun LoveSongs
Klett-Cotta
Lee – ein international gefeierter Musiker – zieht es zurück in seine Heimatstadt Little Wing in Wisconsin. Dort kämpfen seine besten Freunde Henry und Beth, schon seit der Schulzeit ein Paar, auf ihrer Farm ums Überleben und unterstützen damit auch Ronny, der nach einem schweren Unfall vom Rodeo-Star zum Alkoholiker wurde. Kip, zu Schulzeiten das fünfte Mitglied der Clique, kehrt nach einer Karriere als Rohstoffmakler in Chicago ebenfalls nach Little Wing zurück. Gegensätzliche Lebensmodelle, enttäuschte Erwartungen, unerfüllte Sehnsüchte und alte Konflikte treiben Risse in das Beziehungsgeflecht der Freunde, bis es schließlich mit der Offenbarung eines bisher wohl gehüteten Geheimnisses vollends auseinanderzufallen droht.
Nickolas Butler lässt in jedem Kapitel einen anderen der Freunde die Erzählperspektive übernehmen und bietet dem Leser auf diese Weise ein vielschichtiges, dichtes Bild der Geschehnisse und ermöglicht es ihm, jedem einzelnen nahe zu kommen. Butlers anspruchsvolle, einfühlsame Sprache, seine Empathie zu den Figuren, seine Warmherzigkeit in Bezug auf das Thema „Heimat“ machen „ShotGun LoveSongs“ zu einem wunderbaren, anspruchsvollen Roman über die großen Themen Freundschaft, Sehnsucht und Liebe – und zu einem meiner absoluten Lieblingsbücher in diesem Jahr. mf

432 Seiten
19,95€

 

   butler shot gun love songs

 

   

Philippe Descola
Die Ökologie der anderen.Die Anthropologie und die Frage der Natur
Matthes & Seitz

Wovon reden wir eigentlich, wenn wir von Mensch, Kultur und Natur sprechen? Selten machen wir uns bewußt, daß wir mit unseren Begriffen nur Hilfsmittel unserer selbstgeschaffenen Symbolsysteme Sprache und Zahl zur Verfügung haben und damit stets vereinfachte Vorstellungen von Mensch, Kultur und Natur denken, formulieren und nach diesen auch handeln.
Die Forschungen des französischen Anthropologen Philippe Descola sind ein Versuch, diese entwicklungsgeschichtlich hauptsächlich durch Antike, Renaissance und das Ende des 19. Jahrhunderts geprägten logozentrischen und reduktionistischen Vorstellungen aufzubrechen: „Im Abendland zeichnet sich seit Jahrhunderten die Natur [...] durch die Abwesenheit des Menschen aus, und der Mensch durch das, was er an Natürlichem in sich zu überwinden vermochte". Seine Motivation bezieht er aus den handfesten Krisen, die menschlicher Machbarkeitswahn und wissenschaftlich-technologischer Fortschrittsglaube in ihrer Beziehung zur Natur produziert haben: klimatische Umwälzungen, schwindende Artenvielfalt, Vermehrung gentechnisch veränderter Organismen, die Zerstörung weiter Naturräume.
Man muß sich auf ein hohes Niveau wissenschaftstheoretischer Diskussion und einen gründlichen Gang durch Anthropologie und Philosophie einlassen, um den spannenden Ausführungen Descolas zu folgen. Der Bogen des Lévi-Strauss-Schülers ist weit gespannt: er verbindet ethnologische, kultur- und religionswissenschaftliche Ansätze ebenso, wie neurophysiologische, sozio- und evolutionsbiologische Erkenntnisse. Er plädiert dabei für eine Zusammenführung immer stärker segmentierter Wissenschaftsbereiche, die er systematisch in ihrer Tendenz zur Reduktion und Abgrenzung hinterfragt. Descolas zentrales Bestreben, die Konsistenz menschlicher Erfahrung nicht aus letztendlich konstruierten Dualismen Natur/Kultur, Materie/Geist, Determinismus/Freiheit zu verstehen und die Überführung unseres ebenso anthropo-, logo-, wie eurozentrischen Denkens in ein differenzierteres Naturverständnis und Verhältnis zur Welt wünscht man sich in dieser Nachdrücklichkeit und Klarheit für viele andere Bereiche auch. Es ist fundamental: „die Welt ist nicht [...] segmentiert. Sie besteht aus Prozessen, Entitäten und Phänomenen". Man möchte hinzufügen: sie ist einmalig und fragil. mc

ab Oktober 2013 erhältlich

144 Seiten
19,90€

  decola oekologie

 

   

Ernst Haffner
Blutsbrüder. Ein Berliner Cliquenroman.
Walde + Graf bei Metrolit. 

HÖRBUCH . Gelesen von Ben Becker auf 5 CDs. Argon Verlag € 19,95

Jugendliche ohne Arbeit und Wohnung, die aus sadistischen Fürsorge-Heimen in den Dschungel der Großstadt fliehen. Jugendbanden, die von Gelegenheitsarbeit, Diebstahl und Prostitution leben, stets auf der Flucht vor Polizei und Justiz. Ernst Haffner, Journalist und Sozialfürsorger lebte zwischen 1925 und 1933 in Berlin. Seither ist er verschollen. Sein Buch „Die Blutsbrüder" erschien 1932 und wurde von den Nazis verbrannt. Dieser Roman, jetzt wiederentdeckt, ist eine spannend realistische Sozialreportage mit viel Empatie für „Die da ganz unten" und mit kritischem Blick auf die dekadente Schikeria „da oben".
Alles nur Vergangenheit der 1930er Jahre in Berlin? Wie werden die Kinder, Jugendlichen und Migranten der heutigen Arbeitslosen-Generation ihr Überleben sichern? Nur durch Putzen der Scheiben wartender Autos an den Ampeln? js

260 Seiten
19,99€

 

  haffner blutsbrueder

 

   

Erich Kästner
Der Gang vor die Hunde
Atrium Verlag


1933 auf dem Berliner Opernplatz verbrannt, war Kästners „Fabian" für Peter Rühmkorf 1945 eines der wichtigsten Bücher für die Demokratisierung Nachkriegsdeutschlands.
Erstmals erscheint es jetzt in der Urfassung „Der Gang vor die Hunde" mit allen in der Erstausgabe von 1931 gestrichenen politischen wie erotischen „Provokationen", die man glaubte dem Publikum nicht zumuten zu dürfen.
Jakob Fabian, 32 Jahre, Beruf wechselnd, lebt in einem Berliner Untermietzimmer, arbeitet für wenig Lohn, verliert diese Arbeit. Er betrachtet die Welt und sich selbst mit ironischer Distanz. Sein Freund Labude, aus großbürgerlicher Familie, im Gegensatz zu Fabians alle Bemühungen zwecklos erscheinen lassender Skepsis möchte handeln, Europa vor dem Ruin retten, die Zustände ändern – ihre Gespräche sind noch immer von großer Aktualität. Allein und mit Labude treibt Fabian durch Berlin, „den verrückten Steinbaukasten", durch Nachtbars, Ateliers, Bordelle, das Berlin der Neureichen und der Armut. Frivol, mit knappem spöttischen Witz und zahllosen tagespolitischen Anspielungen wird ein scharfes Bild der späten Weimarer Jahre gezeichnet. Wenn aber Andere in Not sind, dann handelt Fabian, der Unentschlossene und so ertrinkt er am Ende beim Versuch, einen kleinen ins Wasser gefallenen Jungen zu retten. Fabian kann nicht schwimmen. rg

ab Oktober 2013 erhältlich

320 Seiten
22,95€

  kaestner gang

 

   

Hans Pleschinski
Königsallee
C.H.Beck


Düsseldorf im Jahre 1954: Thomas Mann, Literaturnobelpreisträger und gefeierter Autor, liest in der Düsseldorfer Edelherberge an der Königsallee aus Felix Krull. Das Nachkriegsdeutschland steht stramm. Hotel und Stadt sind in Aufruhr. Wie umgehen mit dem Dichterfürsten, der Deutschland während des Krieges verließ, wie umgehen mit dem gefeierten Autor, den man in Kriegszeiten als Nestbeschmutzer beschimpft hatte. Dem nicht genug trifft just zur gleichen Zeit Klaus Heuser, homoerotische Liebschaft Manns aus Sylter Ferien 1927 und literarisches Vorbild für die Josephsromane, mit seinem indonesischen Freund Anwar in selbigem Nobelhotel ein. Kann ein Wiedersehen der beiden Männer dem alternden und kränkelnden Schriftsteller den Todesstoß versetzen? Mit feiner, mannscher Ironie schildert Pleschinski das Eintreffen des Dichtergottes mitsamt seiner Entourage, die Eifersüchteleien der um des Künstlers Wohlergehen besorgten Wächterinnen Katia und Erika Mann. Amüsant beschreibt der Autor Erika, deren zigarettenrauhe Stimme und alkoholschwerer Atem gleichsam zu hören wie zu schmecken sind. Erheiternd zeigt er das Ringen der Nachkriegshonoratioren um das rechte Wort zur Begrüßung Thomas Manns. Pleschinskis Roman ist ein Muss für alle Mann-Liebhaber. sw

389 Seiten
19,95€

  pleschinski koenigsallee

 

   

 

Armin T. Wegner
Der Knabe Hussein und andere Erzählungen
Herausgegeben von Volker Weidermann
Wallstein Verlag

Er war der Mann, der 1919 öffentlich auf den ersten Genozid des Jahrhunderts aufmerksam machte: die Vernichtung von Millionen Armeniern durch die (mit den Deutschen verbündeten) Türken im Ersten Weltkrieg. Er hat diesen ungeheuerlichen Vorgang fotografisch dokumentiert, der Lichtbildvortrag liegt unter dem Titel „Die Austreibung des Armenischen Volkes in die Wüste“ vor. Er war der Mann, der im April 1933 einen Brief an Adolf Hitler schrieb, in dem er das Ende der Judenverfolgung forderte. Verhaftung, Folter und Exil waren die Folge. Dieser Mann wurde in den Jahren danach so gründlich vergessen, dass er beim ersten deutschen Schriftstellerkongreß 1947 zu denen gerechnet wurde, die das Exil nicht überlebt hatten. Tatsächlich lebte der Totgesagte noch bis 1978 in seiner italienischen Wahlheimat.

Volker Weidermann, ausgewiesener Kenner vergessener und exilierter Autoren, ist Herausgeber einer Werkausgabe Armin T. Wegners, deren erster Band nun vorliegt. Wir lernen einen einfühlsamen, gerechtigkeitsliebenden Erzähler kennen, dessen vorwiegend autobiographisch grundierte Novellen in den alten Grenzgebieten zwischen Orient und Okzident spielen, in Anatolien und Armenien, in Istanbul und Bagdad. Doch lassen sich auch vor diesen exotischen Kulissen nur allzu deutlich die kommenden Katastrophen des frühen 20.Jahrhunderts erahnen. – Eine wichtige, eine längst fällige Wiederentdeckung, die Neugier auf die folgenden Bände weckt. gw

311 Seiten
29,90 €

 

  wegner knabe huessein

 

   

Henry James
Das Tagebuch eines Mannes von fünfzig Jahren
edition ***** 5 plus

The Diary of a Man of Fifty, so der Titel der Story, ist noch nie auf Deutsch erschienen. Anlage und Szenerie des Werks sind für den Autor geradezu klassisch: Ein Amerikaner kehrt nach Jahrzehnten in das geliebte Florenz zurück, an jenen Ort, wo er als junger Mann einst Bekanntschaft mit der Kunst und mit dem Leben gemacht hat. Die wehmütige Erinnerung an eine Jugendromanze mündet in ein überraschendes Déjà-vu, nicht zuletzt dank alter, längst erloschen geglaubter Gefühle…
„Ich habe ein allzu seriöses Leben geführt; aber womöglich ist es am Ende das, was einem die Jugend bewahrt. Jedenfalls bin ich zu weit gereist, habe ich zu schwer gearbeitet, habe ich in zu extremen Klimazonen gelebt und mich mit allzu ermüdenden Leuten abgegeben. Wenn ein Mann sein zweiundfünfzigstes Jahr erreicht hat, ohne äußerlich auf den Hund gekommen zu sein – wenn er mit passabler Gesundheit, einem passablen Vermögen, einem reinen Gewissen gesegnet und ihm vergönnt ist, von blamablen Verwandten völlig verschont zu sein -, dann, so meine ich, ziemt es ihm, sich glücklich zu preisen.“

nummeriert
84 Seiten
14,80€

Eine wunderbare Rezension von Hubert Spiegel (FAZ) finden Sie hier: FAZ

  James-umschlag

 

   

Roberto Bolano
Die Nöte des wahren Polizisten
Hanser


Aus dem Vorwort geht hervor, dass Roberto Bolano über anderthalb Jahrzehnte an dem Konvolut arbeitete, ein
Buchprojekt, das er und ihn verfolgt hat.
Sämtliche Kapitel wurden handschriftlich verfasst, dann mit der Schreibmaschine transkribiert, schließlich ein großer Teil auf dem Computer überarbeitet. Der Roman mag ein Fragment , seine einzelnen Handlungsstränge eher lose miteinander verbunden sein, „ein aberwitziges Verwirrspiel", wie Bolano selbst sagte, aber er ist ein Meisterwerk an furchtloser Fabulierlust. Das Fragmentarische hat Bolano schon in anderen Werken zur Vollendung geführt, indem er seine Romane aus vielen Episoden und Figurenberichten montiert. Hier gelingt ihm durch die offene Form noch ein weiteres Mal, den Leser zu bannen und ihn durch sein Lesen zum Mitschöpfer des Werkes zu machen. Bolano erzählt: Wie Professor Amalfitano –Chilene, Philologe, verwitwet – mit 50 bemerkt, dass er schwul ist. („Wenn der Ostblock zusammengebrochen sei, könne das auch seine bis dato unzweifelhafte Heterosexualität das tun.") Der melancholisch veranlagte Akademiker beginnt eine Liaison mit einem Studenten namens Padilla und wird von der Universität verwiesen. Amalfitano bewirbt sich und erhält nur ein einziges Stellenangebot: In der Grenzstadt Santa Teresa, eine unbedeutende mexikanische Universitätsstadt, (die sich allerdings durch zahllose Frauenmorde eine traurige Berühmtheit erwarb), kann Amalfitano mit seiner Tochter Rosa unterkommen und lehren. Er findet in dem Kunstfälscher Castillo einen neuen Liebhaber, er lasst sich treiben von Erinnerungen und widmet sich den Werken marginalisierter Autoren. Hier lässt er den Briefwechsel zwischen ihm und seinem Ex‐Liebhaber Padilla aufleben, der in der Zwischenzeit an Aids erkrankt ist. Bald ziehen Amalfitano und Rosa die Aufmerksamkeit der örtlichen Polizei auf sich. Und der Leser wird zum Zeugen von Drogen‐ und Mordgeschäften, die Bolano mit dem ihm eigenen schwarzen Humor in Szene setzt. In Die Nöte des wahren Polizisten entwirft Bolano viele seiner Figuren zum ersten Mal, um sie dann in späteren Texten virtuos weiterzuentwickeln. So taucht bereits hier der (fiktive) Schriftsteller Arcimboldi aus 2666 auf: diesmal nicht als Wehrmachtsoldat, sondern als französischer Avantgardist. Der passionierte Bolano‐Leser wundert sich nicht über seine Methode, Motive und Charaktere in späteren Büchern fortzuschreiben. Wir wissen längst, dass der Autor uns grundsätzlich nicht erklärt, warum etwas so ist und was es zu bedeuten hat. Das überlässt er seinen Lesern. Der Leser ist der wahre Polizist, der versucht, eine Fährte aufzunehmen und aus den Anknüpfungspunkten einen narrativen Bogen zu spannen. Bolano gelingt mit diesem traurigen, zärtlichen, poetischen und rätselhaften Buch eine neue Art, über Wirklichkeit zu schreiben. In diesem unabgeschlossenen, aber nicht unvollständigen Roman erkundet Bolano wieder einmal literarisches Neuland – mit überbordender Fantasie und abgründigem Witz.

272 Seiten
21,90€

 

 

  bolano

 

   

Teju Cole
Open City
Suhrkamp

Julius, ein junger afroamerikanischer Psychiater aus Manhattan, durchstreift nach Dienstschluss die Topografie New Yorks. Eines Tages geht er einfach drauf los, ohne festgelegtes Ziel. „Kontrapunkte zum Arbeitsalltag", sieht der Liebhaber klassischer Musik in seinen Spaziergängen. Er stellt fest, dass sie seine Abende als auch seine Gedanken strukturieren. Er lässt sich treiben, und gleitet zunächst auf eine unbefangene Art durch eine Fülle von Assoziationen, die seine Beobachtungen und Begegnungen auslösen. Er denkt an seine kürzlich zerbrochene Liebesbeziehung, wartet mit Beispielen aus der Kunstgeschichte auf, fühlt sich an ein Gemälde von Velázquez erinnert, wo andere nur die Spiegelung einer Fassade erkennen. Vor seiner medizinischen Ausbildung studierte Julius englische Literatur. Aus jener Zeit datiert seine Freundschaft zu dem alten Professor Saito, den er gelegentlich aufsucht. Der Gedankenflug mit diesem väterlichen Intellektuellen , der dem Tod entgegenblickt, berührt Julius sehr und beleuchtet seine mitfühlende Seite. Daneben kreuzen Unbekannte Julius' Weg, ein illegaler Immigrant, ein karibischer Schuhputzer, ein Postbeamter, ein Museumswärter, farbige Männer, deren Geschichten die Benachteiligung und Vorurteile gegenüber den Schwarzen offenlegen. Julius geht einmal zu einem Konzert von Mahlers 9. Sinfonie in die Carnegie Hall und bemerkt, dass fast alle um ihn herum weiß sind. Es erinnert ihn daran, wie „getrennt unsere Leben immer noch sind". Der Protagonist steht in der Tradition des Flaneurs, des unabhängigen, intellektuellen, introvertierten Erzählers, der uns an die Orte der Gegenwart der Geschichte führt. Julius sieht Dinge, die andere übersehen, die ignoriert werden. Die Stadt New York blättert sich vor ihm auf, offenbart die Spuren der Menschen, die früher hier lebten. Mit jeder Begegnung, jeder neuen Entdeckung gerät Julius tiefer hinein in die verborgene Gegenwart New Yorks. „ In dieser Erde waren die Leichen von fünfzehn‐ bis zwanzigtausend Schwarzen, die meisten davon Sklaven, bestattet worden." Der Roman ist im Jahr 2006 angesiedelt, und natürlich handelt er auch von den Auswirkungen des 11. Septembers. Teju Cole beschreibt dieses andere New York und die darin  verwobenen Menschenschicksale in einer klaren, detailgenauen Sprache, deren Rhythmus einen Sog erzeugt. Der Autor hat mit seinem Held Julius eine realistisch aussehende Figur geschaffen, einer von uns, der in einer Sprache über Geschichte, Verlust und Mitgefühl spricht, die wir verstehen. Zugleich ist er nicht nur der unschuldige Beobachter, ein Vorfall aus seiner jüngeren Vergangenheit offenbart seinen sehr ambivalenten Charakter. Hinter der brillant erzählten Geschichte wird ein Unbehagen an der Kultur und der zerrissenen Gegenwart spürbar, das den Spurensucher Julius zum Auffinden verdrängter Erinnerungen und Abgründe befähigt, auch solche in seiner Biografie. Jetzt ist Teju Cole und seine Übersetzerin Christine Richter‐Nilsson mit dem Internationalen Literaturpreis/ Haus der Kulturen der Welt ausgezeichnet worden. Die Jury erklärt, dass Cole „ein überragendes Erzähldebüt gelungen ist".

333 Seiten
22,95€

  cole open

 

   

Jonas Lüscher
Frühling der Barbaren
C.H.Beck


Während Preising schlief, ging England unter, läßt Jonas Lüscher lapidar das spannendste Kapitel seiner genialen Debütnovelle beginnen. Die Handlung ist schnell erzählt. Der Schweizer Geschäftsmann Preising erlebt zufällig in einer Edelhotel-Oase in Tunesien die abgedrehte Hochzeit eines jungen englischen Paares aus der Finanzwelt Londons. Als der einzig halbwegs normale Gast der teuren Zeltherberge wird der Eidgenosse von der Schwiegermutter des Bräutigams gebeten, an ihrem Tisch den grenzenlosen Feierlichkeiten der überspannten Schönen und Reichen aus der Welt der Finanzjongleure und Spekulanten beizuwohnen. Die heiße Hochzeitsnacht ist durch nichts zu toppen, ihr Preis ebenfalls nicht: Es ist die Nacht, in der die englische Finanzkrise ausbricht, der Staat die Vermögen einfriert und zahlungsunfähig wird. Das Plastikgeld der Brautleute ist am Morgen danach wertlos, das Unglück nimmt seinen Lauf. In brillanten Worten, mit scharfer Beobachtungsgabe und beißender Ironie schildert Lüders die Komik des traurig-tragischen Treibens unter den Palmen Tunesiens. Dem Erstlingsautor ist ein fulminanter Start gelungen. sw


125 Seiten
14,95€

   luescher

 

   

Henning Ritter
Die Schreie der Verwundeten.Versuch über die Grausamkeit
C.H. Beck


Nachdem der gerade verstorbene große Denker und Essayist 2005 bei Beck ein Buch über das Mitleid (Nahes und fernes Unglück) veröffentlicht hatte, wandte er sich in seinem letzten Werk der dunklen Seite der Macht, der Grausamkeit, zu. Ritter stellt fest, daß mit der Weiterentwicklung von Zivilisation und Moral die Grausamkeit zunimmt. In der ihm eigenen Sprachbrillanz und Klarheit lässt der Autor seine Darstellung im revolutionären Frankreich beginnen. Stendhals Jahrhundertroman „Rot und Schwarz" folgend, zeigt Ritter, dass die Menschen im Laufe der Geschichte vergessen haben, wer die eigentlichen Mörder sind, und zu Tränen gerührt sind, „wenn sich ein Hund die Pfote bricht". Über Tocqueville und Schopenhauer, Henry James bis Darwin zeigt Ritter die Wechselwirkung von Mitleid und Grausamkeit. Dabei bewertet oder klagt er nicht an. Das letzte Buch Henning Ritters nimmt den Leser gefangen und öffnet ihm die Augen, weshalb Menschen grausam handeln.
sw

188 Seiten
19,99€

   ritter

 

   

 

Ulrike Edschmid
Das Verschwinden des Philip S.
Suhrkamp
 

 

„Eine Handleserin in Zürich hatte ihm vor Jahren prophezeit, dass sich sein Leben vollenden werde, bevor er dreißig sei. Aber auf welche Weise, hatte sie gesagt, liege in seiner Hand."
Philip S., Sohn einer begüterten Schweizer Fabrikantenfamilie, stirbt 1975 , durchsiebt von Polizeikugeln, am Rande eines Kölner Parkplatzes. Ein paar Meter entfernt liegt ein junger Polizist tot auf dem Pflaster.
Philip S. war Mitglied der terroristischen Gruppe „Bewegung 2. Juni". Flüchtend hat er den Polizisten erschossen.
Wie ein Vorlauf zu einem Krimi beginnt dieses Buch. Es folgen 28 chronologisch erzählte Kapitel, sprachlich dicht, nüchtern reflektierend, präzise, hoch sensibel wie der Protagonist.
Mit einer Distanz von 40 Jahren sucht Ulrike Edschmid noch immer eine Antwort auf die Frage:
Warum wählte Philip S. diesen Weg in den terroristischen Untergrund? Was hat sie selbst davor bewahrt, ihrer großen Liebe auf diesen Weg zu folgen? Ganz klar, knapp und ehrlich gibt sie die Antwort. (Sei hier nicht verraten.)
Wir haben es mit einem autobiographischen Roman von großem zeitgeschichtlichen Wert und dokumentarischem Charakter zu tun: sachlich erzählt und doch hoch emotional.
Wie kann ein geliebter Mensch einem so entgleiten?
Wer die Zeit nach dem 2.Juni 1967 in Berlin miterlebt hat, erkennt sofort die handelnden Personen, auch wenn sie nur mit Initialen gekennzeichnet sind und erinnert sich an die Ereignisse.
Den jüngeren Lesern sei dieses Buch empfohlen als Schilderung eines Irrwegs und Lebensgefühls eines Teils der 68-er Studentengeneration.js

   edschmid verschwinden

 

   

Tony Judt
Nachdenken über das 20. Jahrhundert
Hanser

Es ist ein besonderes Buch. Nicht nur, weil das Manuskript von „Nachdenken über das 20. Jahrhundert" von Tony Judt und Timothy Snyder einen Monat vor dem Tod des großen englischen Historikers Judt fertiggestellt wurde. Es ist besonders, weil es nicht nur den Rückblick eines Intellektuellen auf das vergangene, sondern auch ein Vermächtnis für dieses Jahrhundert darstellt. Zugleich ist es ein Buch des Sterbens. Tony Judt, der 2010 einer schweren Krankheit erlag, konnte an sein letztes Werk nicht mehr Hand anlegen. Er hat seine Ideen und Erfahrungen dem 20 Jahre jüngeren Yale-Historiker Timothy Snyder erzählt. Entstanden ist daraus ein ebenso fein- wie tiefsinniges Buch, in dem die beiden sich kongenial ergänzenden Historiker beginnend mit Judts ostjüdischer Familie seine Entwicklung zum unabhängigen Denker vor dem Hintergrund des Jahrhunderts der Kriege diskutieren. Vor jedem Kapitel umreißt Judt die Zeit nicht ohne leise Selbstironie biographisch, so dass neben dem gelehrten Diskurs ein zauberhafter Einblick in die Person Judts gewährt wird. „Nachdenken über das 20. Jahrhundert" ist ein kluges und klares, nicht ver-, sondern beurteilendes Buch des Jahrhunderts, das in seiner Weisheit seinesgleichen sucht.sw

   judt nachdenken

 

   

Anna Katharina Hahn
Am Schwarzen Berg
Suhrkamp

 

Letztes Jahr nominiert für den Leipziger Buchpreis, ist der zweite Roman Hahns heute fast schon wieder in Vergessenheit geraten - zu Unrecht! In präziser, kühler Sprache erzählt uns die Autorin von zwei älteren Ehepaaren, seit 30 Jahren benachbart und befreundet, dem Aufeinanderprallen ihrer Lebensentwürfe und -ideale und dem Scheitern jedes Einzelnen an der Welt. Arzt und Gattin suchen ihr Glück in Status, Erfolg und Besitz, Lehrer und Bibliothekarin in der schönen Literatur. Unter Hahns genauem, unbestechlichem Blick verrennt sich jeder der vier in seiner Welt auf seine Weise, werden Sehnsüchte, Träume und Erwartungen enttäuscht, bleibt schließlich nur noch, ein "normales" Leben zu leben. Nur der gemeinsam erzogene Peter scheint seinen Weg schnurgerade zu gehen, scheint sich vom Materialismus abwenden und die anerzogenen romatischen Bildungsideale leben zu können - bis er von Frau und Kindern verlassen wird. Können die beiden desillusionierten Paare ihm helfen diese Lebenskrise zu bewältigen? Der Roman stellt die großen Fragen; "Wie können, wie wollen wir leben?". Hahn hat damit keinen Saisontitel geschaffen, sondern noch lange empfehlenswerte Literatur. hj

 

237 Seiten
8,99€

  hahn

 

   

Dieter Richter
Jean Paul. Eine Reisebiographie.
Transit.

Er hat weder den italienischen Himmel noch das Meer geschweige denn die Schweizer Berge gesehen, dabei reisten seine Leser mit seinem Titan als Leitfaden im Gepäck vom Lago Maggiore bis zum Golf von Neapel. Und viele seiner Bücher lesen sich wie Reisebeschreibungen eines weit herumgekommenen, die versteckten und offensichtlichen Schönheiten und Eigenarten fremder Menschen und ferner Länder kundigen Mannes.
Dieter Richter hat aus den Briefen und Berichten Jean Pauls, der sich selbst als „häusliches Schaltier" mit Neigung „zum Häuslichen, zum Stillleben, zum geistigen Nestmachen" bezeichnet, eine zauberhafte Reisebiographie zusammengestellt. Der emeritierte Literaturwissenschaftler, der unter anderem über Goethe in Neapel und über den Süden, Geschichte einer Himmelsrichtung geforscht hat, zeigt in diesem bibliophilen Juwel, wie sehr sich Jean Paul von seinen Zeitgenossen, die ihre Bildungsreisen meist in das „Land, wo die Zitronen Blühen" führte, unterschied. Mit viel Einfühlungsvermögen führt Richter den Leser in die ärmliche Kindheit Jean Pauls, die Studienjahre und die Zeit als gefeierter Autor ein, streift Jean Pauls Poetisierung der Welt und weist auf das romantische Reisen als ein nach Hause kommen und Weg nach innen hin, um dann den Literaten selber zu Wort kommen zu lassen.
So erfährt der Leser vieles über Landschaften, aber vor allem über Menschen. Der von Jean Paul Gott genannte Goethe „frisset entsetzlich" und bewohnt das einzige Haus Weimars nach italienischem Geschmack, „ein Pantheon voller Bilder und Statuen, in dem eine kühle Angst presset die Brust". Der Gott selber zeigt sich „kalt, einsilbig, ohne Akzent, das Gesicht markig und feurig, sein Auge ein Licht, aber ohne eine angenehme Farbe".
Jean Pauls nicht einfach zu lesender Stil ist in Rechtschreibung und Zeichensetzung angepasst, eine Liste aller Reisen rundet das warme Buch ab, die Abbildung alter Kupferstiche und Zeichnungen lassen die Reisebiographie ein literarisches Kleinod werden. sw

  richter 
     

Manfred Flügge
Muse des Exils. Das Leben der Eva Hermann.
Insel.


„Als sie 15 wurde, verschwand der Ausschlag wie von Zauberhand. Das hässliche Entlein wurde zum bewunderten Schwan. Jetzt schauten alle mit Wohlgefallen auf sie, doch Evas Glücksgefühl darüber hielt sich in Grenzen. Sie mochte nur Menschen, die keine Kommentare über ihre Schönheit abgaben. So hat sie es selbst geschildert. Und doch sollte ihre frappierende Erscheinung als Entreebillet in die besseren Kreise dienen.“Nach Marta Feuchtwanger widmet sich Manfred Flügge in seinem jüngsten Buch einer beinahe unbekannten, aber hochinteressanten Malerin und Muse. Eva Herrmann kommt 1901 als Tochter eines jüdischen, amerikanischen Malers in München auf die Welt, wächst wohlhabend, aber unglücklich zwischen den geschiedenen Eltern pendelnd in Bayern auf, besucht mit 18 Jahren als Amerikanerin zum ersten Mal die Vereinigten Staaten und bleibt seitdem eine Reisende zwischen den Kontinenten, um sich 1940 bis zu ihrem Tod 1978 in Kalifornien niederzulassen.Fesselnd und flüssig, behutsam und respektvoll lotst Flügge den Leser durch die verwobenen Pfade und Lebenswege der tragischen Schönen, die der Fotograph und Galerist Alfred Stieglitz früh porträtierte und durch Ausstellungen in seiner Galerie schnell berühmt machte. Im Hause Stieglitzens, der mit der Künstlerin Georgia O´Keefe verheiratet war, kommt Eva mit Künstlern in Kontakt. Sie wird Muse des Fotographen, pflegt eine lange Liason mit Johannes R. Becher, zieht ins südfranzösische Sanary sur Mer, inspiriert die Exilanten Aldous Huxley, Lion und Marta Feuchtwanger, ist mit der Familie Thomas Manns, vor allem mit Klaus, Erika und Golo eng befreundet. Ihr Leben liest sich wie ein Who is Who der Literatur und der Künste im Europa der Zwischenkriegszeit und des Exils. Spannend! sw

   fluegge
     

Gunter Hofmann
Willy Brandt und Helmut Schmidt. Geschichte einer schwierigen Freundschaft.
C.H.Beck.

 

Die Szene hatte etwas von High Noon: Lediglich dreizehn von vierhundert Delegierten votierten auf dem Sonderparteitag der SPD im November 1983 für den Kurs Helmut Schmidts und damit für die Stationierung atomarer Mittelstreckenraketen auf deutschem Boden, die restlichen vierhundert folgten Willy Brandt. „Es kollidierten Realpolitik (Schmidt) und Idealismus (Brandt), und der führende Exponent der Realpolitiker unterlag. ... Alle drängte es aus dem Saal, als wollten sie flüchten".
So führt Gunter Hofmann, langjähriger Chefkorrespondent der Zeit und Buchautor, in seinem hoch spannenden jüngsten Werk in die schwierige Beziehung Brandt – Schmidt ein. Deutsche und europäische Geschichte wären vielleicht anders verlaufen, hätte sich dieses Duo anders gefügt, was Hofmann respektvoll, aber scharf beobachtend an den beiden Lebensläufen, Widerstand und Emigration auf der einen, Wehrmachtssoldat und Realist auf der anderen Seite, zeigt. Das Buch zieht den Leser gleichsam in sich hinein, lässt ihn teilnehmen und verstehen, weshalb zwei Seelen in der Politik der SPD wohnen. Zeitgeschichte vom Feinsten! sw

   hofmann
     

Orlando Figes
Schick einen Gruß, zuweilen durch die Sterne. Eine Geschichte von Liebe und Überleben in Zeiten des Terrors.
Hanser Berlin.

 

„Hier (im Lager) herrschen auf eine tragische Art interessante Zustände... Groll wird zu Feindseligkeit, Feindseligkeit verwandelt sich in wilden Hass, Kleinlichkeit wird zur Bosheit und führt irgendwann zu einem Verbrechen. Schroffheit wird zu einer Beleidigung, Misstrauen zu Verleumdung, Geldgier zu Raub und Empörung zu Wut, die manchmal mit Mord endet."
Auf einen Fund besonderer Art stieß der Ausnahme-Historiker Figes im Herbst 2007 in Moskau: Drei alte Truhen enthielten den Briefwechsel von Lew und Swetlana Mischtschenko, einem Paar, das sich in den 1930iger Jahren kennen gelernt und sich nach Lews deutscher Kriegsgefangenschaft und seiner unmittelbar darauf folgenden Inhaftierung in ein Arbeitslager nicht mehr gesehen hat. Dem Paar gelang es, auf geheime Wege Briefe in und aus dem Gulag zu schmuggeln, die Figes nicht nur eine Liebesgeschichte ohnegleichen offenbarten, sondern auch einen bisher nicht gekannten Einblick in das Leben im Lager gewährten. Einfühlsam und respektvoll hat der Wissenschaftler jetzt die Briefe herausgegeben und mit fundierten Erläuterungen versehen, die zeigen, dass hinter den nackten Fakten brutalster Geschichte menschliche Schicksale stehen, denen nur Liebe und Menschlichkeit das Überleben möglich machte. Ein Buch, das unter die Haut geht! sw

   figes
     

Richard von Schirach
Die Nacht der Physiker. Heisenberg, Hahn, Weizsäcker und die deutsche Bombe.
Berenberg.

 

„Vor einer Villa am Philosophenweg hält am Morgen vor dem 1. Mai 1945 ein Bus, in den sechs Personen einsteigen. Es fällt auf in den letzten Kriegstagen, dass alle sorgsam in Zivil gekleidet sind. Offenbar treten die Herren unterschiedlichen Alters eine längere Reise an, denn es dauert eine Weile, bis alle Taschen, Aktenmappen, Koffer und Mäntel verstaut sind."
Diese Gruppe ist jedoch keine kulturbeflissene Herrenrunde, wie der Sinologe Richard von Schirach in seinem überragenden Buch erzählt, sondern die Elite der deutschen Physik. Eine Spionagesondereinheit der Amerikaner hat die Wissenschaftler ausfindig gemacht, bringt sie nach England, interniert sie auf einem Landsitz, um sicherzustellen, dass Deutschland auch in den letzten Kriegstagen nicht in der Lage sein wird, eine Superbombe zu bauen. Fesselnd und überaus spannend erzählt der Autor, unter welchen Umständen die deutschen Physiker der Welt beinahe doch noch eine deutsche Atombombe beschert hätten, wie sie in den Krieg verstrickt waren, wie sehr sie sich überschätzten und wie tief sie fielen, als sie erkennen mussten, dass die Amerikaner mit ihrem Wissen über das Atom den Wettlauf gegen die Zeit gewannen und die erste Atombombe zündeten. Ein mitreißender Text, ein hervorragendes Buch! sw

   schirach
     

Shulamit Volkov
Walther Rathenau. Ein jüdisches Leben in Deutschland 1867-1922.
C.H.Beck.

 

Walther Rathenau muss eine beeindruckende Persönlichkeit gewesen sein: „aufgeklärt, modern und doch zutiefst konservativ" – vielfältig künstlerisch begabt, umfassend naturwissenschaftlich ausgebildet sowie wirtschaftlich und politisch aktiv.
Eingebettet in die Schilderungen der extremen politischen und sozialen Umbrüche sowie der klugen Darstellung der Neuformierungen der jungen Weimarer Republik, erfährt man bei Shulamit Volkov viel über Struktur und dramatische Veränderungen in der deutschen Industrie. Als Außenminister kämpft Rathenau mit Inflation und Reparationsforderungen und ringt um Deutschlands Ansehen. Wachsende antisemitische Strömungen führen letztendlich am 24. Juni 1922 zu seiner dramatischen Ermordung durch radikalisierte rechte Freikorps. Als Jude war er „ein besonders geeignetes Ziel für seine Verfolger".
Keiner der bisherigen engagierten Biografen wie Wolfgang Brenner, Christian Schölzel oder Lothar Gall konnte Rathenau in seinem äußerst ambivalenten Charakter so recht fassen.
Der israelischen Historikerin Volkov ist das erfolgreich gelungen. Über Jahre hat sie Quellenmaterial, Briefe an Freunde, Zeitgenossen und Familie sowie seine zahlreichen Schriften zu einer einzigartigen und im Vergleich erstaunlich knappen Charakterstudie verdichtet.
Ein lebendiges, dichtes und fesselndes Charakter- und Zeitporträt. mc

   volkov
     

Kia Vahland
Raffael & Michelangelo. Rivalen im Rom der Renaissance.
C.H.Beck.


Wir treten ein in das Italien des 15. und 16. Jahrhunderts. Rom ist unter Papst Julius II. (1443 - 1513) eine Stadt im Aufbau. Vom Rom „der blutigen Kriege und privaten Fehden", mit anfangs knapp 40 000 Einwohnern längst nicht so prächtig und bevölkerungsreich wie Venedig, Florenz oder Mailand – „noch weiden die Ziegen am Tiber und die Leute züchten ihr Gemüse in Sichtweite des Kolosseums", entwickelt es sich zu einem bedeutenden Zentrum der Renaissance.
„Das gesamte Wissen der Welt, die Geschichte, Philosophie, Poesie, die Theologie und Jurisprudenz, die Geometrie, Astronomie und die Rhetorik sollen auf den Plan treten, um den päpstlichen Wunsch nach Universalität zu begründen und zu verkünden". Kunstsinnig schart Julius II. neben Michelangelo und Raffael hervorragende Künstler aller Richtungen (u.a. Bramante, Perugino, Ruysch) um sich, um Papsttum und Kirche Roms zu stützen und aufzuwerten. Die Künste der Zeit sind damit kaum von päpstlichem Machtanspruch und Machtpolitik zu trennen.
Vor diesem Hintergrund schildert die Kunsthistorikerin Kia Vahland die produktive Konkurrenz Michelangelos und Raffaels. Kurzweilig und kenntnisreich führt sie durch zentrale Bildprogramme der beiden Rivalen und entschlüsselt dem Leser klug Ikonografie und Bildzusammenhänge der Sixtinischen Kapelle und der vatikanischen Stanzen. So sehr sie real in Abhängigkeit zu ihrem Auftraggeber stehen, so sehr ringen beide ideell und künstlerisch um Unhabhängigkeit und setzen diese in Auseinandersetzung mit dem jeweils anderen herausragend um: Michelangelos lebendige Darstellung der Figuren in vorher nicht gekannter Dynamik und Emotionalität wird richtungsweisend; mit Raffael gewinnen besonders die Frauenfiguren neue Dimensionen. Beide revolutionieren auf ihre Art die Kunst und das Bild vom Menschen.
Ein spannendes Buch, das Sehnsucht nach Italien macht. mc

   vahland
     

Sarah Bakewell
Wie soll ich leben? Oder das Leben Montaignes in einer Frage und zwanzig Antworten.
C.H.Beck.

 

„Da lag nun mein Pferd gänzlich betäubt der Länge nach hingestreckt, ich zehn, zwölf Schritte davon entfernt, wie tot . . ." (Montaigne.) „Das Nah-Tod-Erlebnis, diese Erfahrung des Sterbens war ganz anders, als Montaigne es sich bis dahin vorgestellt hatte. Er hatte eine Reise an die Grenze des Todes unternommen, war ihm ganz nahe gekommen und hatte ihn gekostet wie ein unbekanntes Aroma. Dies war ein Essai über den Tod: eine Übung oder Exercitation." So beschreibt Sarah Bakewell in ihrer großartigen Biographie Montaignes die Hinwendung eines der bedeutendsten Vertreter der Renaissanceliteratur zur Betrachtung der eigenen Erfahrungen, hin zu der von ihm erfundenen und nach ihm benannten Form des meditierenden, sich selbst betrachtenden und literarischen Denkens. Montaigne habe immer wieder seine Empfindungen und Erfahrungen durchgespielt und so genau wie möglich rekonstruiert, um daraus zu lernen.
Nach dem Que sais-je, dem Was ich weiß-Prinzip verfasste Montaigne, weinanbauender Adelssproß aus der Dordogne, der in seinem Leben vor den Essais unter anderem Bürgermeister Bordeauxs war, 107 Essais zu allen Bereichen des Lebens, ohne seine Leser zu belehren.
Sarah Bakewell folgt dem Leben des stoischen Skeptikers, für den immer viele Wahrheiten galten und keine Weisheit unumstößlich war, in einer außergewöhnlichen, ja montaignehaften Form. Mit der Frage „Wie soll ich leben?" klopft sie Montaignes Leben, Werk und Wirken ab, zeigt, weshalb der Mann, der 1533 das Licht der Welt erblickte, im Frankreich der Religionskriege lebte und 1592 starb, damals wie heute so modern ist. Die Journalistin Bakewell, die für dieses Buch vielfach ausgezeichnet wurde, legt eine rasante, hervorragend lesbare, hochaktuelle und unbedingt empfehlenswerte Lebensgeschichte des Philosophen vor. sw

  bakewell
     

Stuart Neville
Die Schatten von Belfast
Aufbau

 

2007, Belfast: Gerry Fegan ist am Ende. Der ehemalige Auftragsmörder der IRA scheint nach zwölf Jahren Gefängnis sein Leben in naher Zukunft als verwirrter Alkoholiker zu beschließen: Die Geister der zwölf von ihm Gemordeten bedrängen ihn Tag und Nacht, ohne Unterlass. Doch unvermutet zeigt sich der Ausweg: Rächt Fegan die Opfer, werden die Schatten ihn in Ruhe lassen. So macht er sich daran, seine einstigen Weggefährten, die Auftraggeber der Morde, umzubringen...
Wie setzte Stuart Neville in seinem Debüt diese klare Vorgabe, dieses klassische Rachemotiv um? Von der L.A. Times zu recht als bester Thriller des Jahres ausgezeichnet, ist es vor allem die Spiegelung der Geschichte des Nordirlandkonfliktes in den einzelnen Charakteren, die diesen hardboiled Thriller lesenswert macht. Während die Handlung zügig voranschreitet, zeigt sich, dass der Frieden brüchig, der Wandel teils nur oberflächlich eingekehrt ist; oft es geht nicht um Ideale, sondern um Macht. Und hinter den Kulissen der nun politischen Bühne geht es weiter wie bisher: Opfer werden gebracht, es wird intrigiert und die neue Politikergeneration versucht sich der alten Kämpfergeneration zu entledigen.
Auf der anderen Seite jedoch ist es nicht nur Gerry Fegan, der zwischen Vergangenheit und Gegenwart aufgerieben wird, der zerrissen und heimatlos umherirrt; er ist nicht der Einzige, der sich nach vielen Jahren Krieg nach wahrer Ruhe sehnt.
Während folglich die neue wie die alte Elite Belfasts hinter den Morden machtpolitisches Kalkül vermutet, wird Fegan durch die verzweifelte Direktheit und Ehrlichkeit seines Rachefeldzuges zum Sympathieträger dieses Irish-Noir-Thrillers, den man nicht zuletzt wegen seines fesselnden Showdowns nicht vor der letzten Seite aus der Hand legen wird. hj

  neville
     

Patrick Modiano
Im Cafe der verlorenen Jugend.
Übersetzt von Elisabeth Edl.
Hanser.

 

Dies ist einer der hinreißendsten, melancholischsten und sehnsuchtsvollsten Romane über das Paris der 60er Jahre, die es gibt. Eine geheimnisvolle, unglückliche, junge, kapriziöse Frau und ein kleiner Kreis männlicher Bewunderer geben nach und nach den Blick frei auf ein schwebend fragiles Leben, dass doch von so leiser wie tiefer Wahrheit erfüllt ist, aber einfach nicht gut ausgehen kann. Ein Roman mit einer zauberhaften Hauptfigur: PARIS.
Unbedingt lesen und allen Frankophilen und Melancholikern schenken. sg

   modiano
     

Christoph Peters
Wir in Kahlenbeck.
Luchterhand.

Anfang der 80er Jahre in einem strengen, katholischen Internat am Niederrhein scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Von den gesellschaftlichen Umwälzungen draußen scheint hier drinnen nichts anzukommen. Carl Pacher, Held dieses großartigen Romans, wächst wie all die anderen Internatszöglinge zwischen Gehorsam, Glaubensbejahung und christlicher Sexualmoral, sprich:
-feindschaft auf.
Die ausführlichen Dialoge, Reflexionen und Diskussionen der Internatszöglinge untereinander über theologische Spitzfindigkeiten und Argumentationsketten gehören zum Besten, was man in der Gegenwartsliteratur diesbezüglich finden kann. Detailliert werden die Seelennöte der Schüler aufgefächert, homoerotische Angebote in Erwägung gezogen und Ausbruchsversuche geistiger, seelischer und körperlicher Art geprobt. Als Carl Pacher sich in eine Küchenhilfe verliebt, es werden extra nur hässliche Mädchen angestellt, droht der Widerspruch zwischen Begehren und der „Vorstellung, dass der Körper ein sündiges Gefängnis ist" aufzubrechen. „Die Lust vergeht, der Ekel bleibt." heißt es an einer Stelle.
Anders als im Törless, in dem die Gewalt und Unterdrückung untereinander im Vordergrund stehen, geht es Peters um die ernsthafte Frage, ob ein Leben als gläubiger Intellektueller möglich sein kann, oder anders ausgedrückt: Kann eine tiefe religiöse Erziehung einer geistigen Erhebung dienen, oder ist dies immer zwangsläufig mit Scheinheiligkeit, Doppelmoral und Abspaltungsprozessen verbunden? Die Strafe Gottes sozusagen immer im Hinterkopf. Klingt verkopft, liest sich aber grandios und beglückend lebendig. Katholizismus und Frank Zappa – wie geht das zusammen?
Ein ganz, ganz meisterhafter Gesellschafts- und Entwicklungsroman von einem der besten deutschen Gegenwartsautoren. Großartig! sg

   peters
     

Sandra Hoffmann
Was ihm fehlen wird, wenn er tot ist.
Hanser Berlin.

 

Es sind die Erinnerungen Janek Bilinskis, die ihm, jetzt da er im Hospiz liegt und nicht mehr lange zu leben hat, von seinem dramatischen Leben geblieben sind. Geblieben ist aber auch ein Gefühl von: sehr viel Glück im Leben gehabt zu haben.
Janek Bilinski wurde als 16-jähriger von deutschen Soldaten aufgegriffen und nach Schwaben zur Zwangsarbeit verschleppt. Der Bauer, bei dem er arbeiten musste, war ein guter Mensch. Janek überlebt den Krieg, bleibt in Deutschland, wird Architekt, gründet eine Familie.
Sandra Hoffmanns kleiner, leiser Roman, in dem Erinnerungen und Gegenwart klug komponiert ineinander fließen, ist ein so wunderbar suggestiver, anrührender, dabei doch ganz klar und unsentimental geschriebener Roman, dem man viele Leser wünscht, die sich von Janek Bilinskis Gedankenstrom forttragen lassen. sg

  hoffmann
     

Ljudmila Ulitzkaja
Das grüne Zelt.
Übersetzt von Ganna-Maria Braungardt.
Hanser.


März 1953: Stalins Tod, damit beginnt Ljudmila Ulitzkajas großer Roman um das Erwachsenwerden von Micha, Sanja und Ilja –drei Freunde: Micha, der Dichter, Sanja, der Musiker und Ilja, der Fotograf. Sie sind Außenseiter in ihrer Schulklasse, unangepasst, wach, rebellisch. Ihr Erwachsenwerden, die Geschichten ihrer Familien, Freunde, Ihrer Beziehungen und Lieben verwebt Ljudmila Ulitzkaja zu einem facettenreichen, manchmal komischen, oft beklemmenden Gemälde der Sowjetunion, vor allem Moskaus und seiner Intelligenzija.
Besonders berührt die Figur des Lehrers Viktor Juljewitsch, ein leidenschaftlicher Leser, den die Frage umtreibt, wie im Übergang von der Kindheit zum Erwachsensein Selbständigkeit, moralisches Bewusstsein, die Fähigkeit zur Unterscheidung von Gut und Böse jungen Menschen vermittelt werden kann. Er sucht die Lösung in der klassischen russischen Literatur, für die er seine Schüler begeistert, zu deren Moskauer Schauplätzen er sie führt und damit ihre Entwicklung und Lebenswege beeinflusst. Als Leser möchte man sofort die Texte im eigenen Regal suchen, um sie mit neuem Blick noch einmal zu lesen.
Das grüne Zelt erzählt von Helden und Opfern, großer Freundschaft und Liebe, schwierigsten Zeiten, es ist neben Medea das eindrucksvollste Buch von Ljudmila Ulitzkaja und es ist ganz nebenbei eine große Hommage an die Literatur. rg

  ulitzkaja
     

Chad Harbach
Die Kunst des Feldspiels.
DuMont.


Als Fan des amerikanischen Breitensports Baseball werden Sie von der Geschichte rund um den Ausnahmeathleten Henry Skrimshander begeistert sein. Chad Harbach erzählt in seinem Debütroman vom Aufstieg und Fall des Shortstops aus South Dakota an einem kleinen Liberalen Arts College.
Sie haben aber keine Ahnung was ein Shortstop ist? Und wie Baseball funktioniert wissen Sie auch nicht? Macht nichts, hatte ich auch nicht und habe mir dennoch nach der Lektüre vor einigen Wochen die Finalspiele der Major Baseball League angeguckt. Aber, auch ohne Affinität zum Baseball oder sonstigem Sport ist das Buch empfehlenswert. Denn neben dem Baseball entfaltet Harbach eine mitreißende Geschichte vor dem Hintergrund einer Reihe von verwickelten Beziehungen und der Dynamik einer eingeschworenen Männergruppe. Da gibt es den Rektor des Colleges, einen ausgewiesenen Moby Dick-Experten, der in eine Liebesbeziehung mit Henrys Team- und Zimmerkameraden hinein schliddert. Oder Henrys Mentor, der sich seine eigene Zukunft zu verbauen droht.
Dies schildert Chad Harbach mit einer Souveränität, wie man sie von Autoren wie Jonathan Franzen oder John Irving kennt, zudem melancholisch, mit psychologischer Tiefe und niemals langweilig. mvk

   harbach
     

Julie Otsuka
Wovon wir träumten.
Mare.


Diese amerikanische Autorin japanischer Herkunft hat einen schmalen, in seiner formalen Konstruktion einmaligen Roman geschrieben.
"Auf dem Schiff waren die meisten von uns Jungfrauen." So beginnt die berührende Geschichte einer Gruppe junger Frauen, die Anfang des 20. Jahrhunderts als 'picture brides' von Japan nach Kalifornien reisen, um japanische Einwanderer zu heiraten. Bis zu ihrer Ankunft kennen die Frauen ihre zukünftigen Männer nur von den strahlenden Fotos der Heiratsvermittler, und auch sonst haben sie äußerst vage Vorstellungen von Amerika, was auf der Schiffsüberfahrt zu wilden Spekulationen führt: Sind die Amerikaner wirklich behaart wie Tiere und zwei Köpfe größer? Was passiert in der Hochzeitsnacht? Wartet jenseits des Ozeans die große Liebe?
Ein weitestgehend unbekanntes Kapitel amerikanisch-japanischer Geschichte, das sich nach Pearl Harbour für die Betroffenen erneut zuspitzt. Die individuellen Erfahrungen werden konsequent in der Wir-Form erzählt, wodurch sie etwas von einem Chor, einer kollektiven Erfahrung bekommen und an sprachlicher Schönheit noch gewinnen: minimalistisch, poetisch, musikalisch, von höchster Konzentration. Ein kleines, sehr besonderes, kleines Meisterwerk! sg

  otsuka
     

Bodo Kirchhoff
Die Liebe in groben Zügen.
Frankfurter Verlagsanstalt


„Sehnsucht nach Liebe ist die einzige schwere Krankheit, mit der man alt werden kann, sogar gemeinsam... Es gibt kein modernes Unglück, es gibt nur das alte Lied."
Was für ein fulminanter, grandioser Romanauftakt.
Ein Buch über die Ehe als Lebensprojekt, ein Buch über die Liebe und über die womöglich Unmöglichkeit, beides auf Dauer miteinander zu leben, ein Buch über ein Haus in Italien und die vielen Dinge, mit denen wir meinen, unser Leben ausstatten und sichern zu müssen.
Ein Buch über einen, der das alles nicht braucht, und ein Buch über das Schwierigste im Miteinander: das Ausloten von Hingabe und Abgrenzung. Und das über fast 700 Seiten.
Wenn Sie jetzt zur nächsten Empfehlung springen möchten, weil Sie meinen, dass darüber alles gesagt ist in der Literatur oder Sie das Gähnen überfällt, machen Sie einen schweren Fehler.
Dies ist ein so radikales, wie kluges, wie aufrichtiges und schönes Buch, dass ich es allen, die länger als sieben Jahre verheiratet sind, sehr ans Herz legen möchte. sg

  kirchhoff liebe
     

Ursula Krechel
Landgericht
Jung & Jung


„Er war angekommen. Angekommen, aber wo."
Nach Shanghai fern von wo geht Ursula Krechel noch einmal den Spuren deutscher Geschichte nach. Ihr Roman handelt vom Leben einer der Zukunft zugewandten, will sagen: modernen Berliner Familie in den 30ern, vom erzwungenen Exil, von Trennungen und vom Überleben, von einer Rückkehr ohne Ankunft, einer gescheiterten Heimkehr, von den schwierigen Nachkriegsjahren zwischen Trümmern, Restauration und Aufbruch.
Erzählt wird die Geschichte des jüdischen Richters Richard Kornitzer, der 1939 eine letzte Schiffspassage ins kubanische Exil bekommt, seine nicht jüdische Frau in Deutschland zurücklassen muss, derweil die Kinder von einer jüdischen Organisation nach England gerettet wurden. Zehn Jahre später kehrt er zurück nach Deutschland. „Wenn er bedachte, es handelte sich um Kriegsverlierer, um Geschlagene, trugen sie den Kopf erstaunlich hoch."
Was muss einer fürchten, was darf einer hoffen, der 1947 aus dem Exil nach Deutschland zurückkehrt? Richard Kornitzer kann nicht mehr dort anknüpfen, wo alles zerriss, er kennt die Gesetzte genau, allein, es gibt keine Gerechtigkeit, es gibt nur Recht und viel Vergeblichkeit und eine wachsende Fremdheit.
Ursula Krechels Roman verwebt Dokumentarisches und Fiktives. Mit enormer sprachlichen Genauigkeit und einer insistierenden, aber nicht verklärenden Zuneigung lernen wir die Figuren in Landgericht verstehen, auch und gerade in ihrem teilweise überzogenen Wiederherstellungseifer. Landgericht erzählt mit enormer historischen Kenntnis und Empathie von den Dingen, wie sie wirklich waren, von den Gründungsjahren einer Republik, die mit der auf ihr lastenden Schuld noch nicht umzugehen, sie nur zu verwalten wusste.
Ein „wahrheitsliebendes, schönes, wirklich einzigartiges Buch", dokumentarisch und sinnlich, erhellend und feinnervig. Einen dokumentarischen Roman in lyrischer Sprache – wann hat es so etwas schon einmal gegeben?
Dieses Buch hat den DEUTSCHEN BUCHPREIS 2012 verdient und auch bekommen. Grandios!
Ein Buch, dass bleiben wird und dass Sie unbedingt lesen und weiter geben sollten. sg

  landgericht
     

Karl Heinz Bohrer
Granatsplitter

Karl Heinz Bohrer, Jahrgang 1932, einer der großen Konservativen, kontroversen intellektuellen Gestalten des Landes, Mitinitiator zahlreicher politisch- ästhetischer Debatten der Republik, folgt den Spuren seiner Prägungen. Der Titel „Granatsplitter" könnte assoziativ eine Verbindung zu Jüngers „Stahlgewittern" nahelegen. Doch damit weit gefehlt. Viel eher drängt sich hier ein Vergleich zu Joachim Fests „Ich nicht" auf. Aber anders als bei seinem Kollegen von der FAZ ist Bohrers „Bildungsroman" keine Prägungs- und Erfahrungsgeschichte eines konkreten Ichs, sondern der Held seiner Erzählung erscheint in der dritten Person als der „Junge". „Granatsplitter", so stellt der Autor ausdrücklich fest, ist nicht Teil einer Autobiographie, sondern die Phantasie einer Jugend, so etwas wie ein Abenteuerroman der Ich-Werdung unter den Bedingungen der Nazizeit, des Weltkriegs und der Zeit nach der Stunde Null.
Wohltuend vermeidet Bohrer jede political correctness. Authentisch und lebendig entfaltet dieser sinnliche Text seine Wirkung über eine Welt, deren Anschaulichkeit längst verloren gegangen ist.

 

Hanser Verlag
gebunden, 314 S.
19,90€

   granatsplitter
     

Else Lasker-Schüler
Die kreisende Weltfabrik.
Berliner Ansichten und Porträts.


„..wenn noch die Menschen meine Lyrik lesen wollten, wer sie gern liest, der soll mir doch mal einen netten Brief schreiben. Was einen schlechte Kritiken ärgern! Man hat doch sofort jemand gern, der einem schöne Worte schreibt." Else Lasker-Schüler 1912
Heute ist Else Lasker-Schüler bekannt als die große Lyrikerin der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Weniger bekannt sind jedoch ihre Prosatexte.
Im Transit Buchverlag ist jetzt ein schmaler Band mit Prosaminiaturen erschienen, schön gestaltet mit kleinen zeitgenössischen Fotografien: „Die kreisende Weltfabrik – Berliner Ansichten". Es sind turbulente, poetisch/ sprachspielerische Blicke auf Berlin. v.a. den Westen, das Lebensumfeld von Else Lasker-Schüler, auf Ereignisse, auf Freunde und auf die vielfältigen kulturellen Verflechtungen des frühen 20. Jahrhunderts. Das wird besonders deutlich in den liebevollen, hellsichtigen Porträts der Freunde, die auch Else Lasker- Schülers große Fähigkeit zu Freundschaft und ihr Bedürfnis nach Freundschaft zeigen. Berührend und sehr schlicht der kleine Text „mein Junge", in dem sie vom Leid erzählt über den Tod ihres Sohnes Paul.
Heidrun Loeper hat die Texte des Buches ausgewählt, mit editorischen Anmerkungen versehen und ihr kluges Nachwort ist eine wunderbare Einführung in Leben und Schreiben von Else Lasker-Schüler.

 

Transit Verlag,
gebunden, 112 S.
14,80€

   weltfabrik
     

Alain Claude Sulzer
Aus den Fugen

„Das war's." Pianistengott Marek Olsberg knallt während seiner heilsbringenden Interpretation der Hammerklaviersonate den Deckel des Steinways zu, verläßt Philharmonie und Publikum, entschwindet ins nächtliche Berlin und aus seinem bisherigen Leben. Die Musikgemeinde fällt von ihrem Glauben ab.
Rasend komisch und rasant schnell erzählt Sulzer, wie die geordnete Welt der Berliner Musikschickeria nach dem Abbruch eines Konzertes aus den Fugen gerät. In Kreisen, „wo reichlich Geld vorhanden, das heißt, Geld zählte nicht, es wurde nicht gezählt und es hatte sich längst ausgezahlt", siedelt er seine Geschichte an, in der er höchst amüsant, fein nuanciert und scharf pointiert Menschen beschreibt, deren Schicksale durch das Konzert miteinander verwoben sind. Gleich einer Fuge thematisiert Sulzer glasklar und mitleidslos die Lebensbrüche der vielen Marinas, Claudios, Nikos, Esthers oder Astrids, die das jähe Ende des Konzertes an das Licht der Welt fördert. Der Leser folgt Sulzer nur zu gern durch die Variationen menschlicher Tiefen und Untiefen. Das Buch ist ein bissiger Lesespaß, den man ungerne aus der Hand legt.

 

Galiani Verlag
Gebunden, 230 S.
18,99€

   sulzer fugen
     

Jörg Trempler
Karl Friedrich Schinkel.
Baumeister Preußens. Eine Biographie

Sein Leben beginnt mit Leid. Der Vater stirbt, als er sechs Jahre alt ist, die Heimatstadt brennt nieder, als er seine Jugendzeit durchlebt, und als er schließlich von seiner Italienreise heimkehrt, ist sein Vaterland nicht nur besiegt, sondern auch besetzt.
Daß dies alles Karl Friedrich Schinkel nicht daran hindert, der bedeutendste Architekt des preußischen Staates im 19. Jahrhundert und ein glücklicher Mensch zu werden, zeigt Jörg Trempler in seiner großartigen Biographie über den „Baumeister Preußens, (...) der als Architekt dem nun reformierten preußischen Staatsgebäude eine sichtbare Gestalt verlieh".
In dem flüssig geschriebenen und sehr gut lesbaren Buch räumt der Autor, Kurator der bis Januar 2013 laufenden Schinkelausstellung „Geschichte und Poesie" im Berliner Kupferstichkabinett, mit vielen Vorurteilen über Schinkel auf und beleuchtet das Schaffen des „rastlos arbeitenden Mannes" vor allem auch als Künstler. Ein Blickwinkel, der in Werken über Schinkel bisher immer zu kurz kam. Dabei geht er auf Bilder, Entwürfe und Dioramen ebenso ein wie auf die Architektur der Bauten. „Schinkel dachte und gestaltete nicht als Maler, sondern auch als Architekt bildhaft. Der universelle Bezug zwischen malendem Architekten und entwerfendem Maler bestimmt Schinkels gesamtes Lebenswerk und bildet eine unverwechselbare Eigenart, die ihn deutlich von seinen Lehrern und Kollegen abhebt." Eingebettet in den deutschen Idealismus betrachtet Schinkel die Kunst als Lehrerin, die zur ästhetischen und moralischen Erziehung der Menschen beiträgt. Dabei unterstreicht Trempler Schinkels Einfluß auf den Wandel des Kunstbegriffes, nach dem Bild und Baukunstwerk den Betrachter überwältigen sollen und nicht rational begriffen werden wollen.
Bei allem Fachwissen vergißt Trempler die Pesönlichkeit Schinkels nicht und webt die kargen Daten, die von dem Künstler-Architekten bekannt sind, in seine Darstellung ein. Auch Zeitgenossen kommen zu Wort und tragen zur abgerundeten Darstellung der Person Schinkels bei, der nicht nur die Gemächer Königin Luises einrichtete, der Erbauer des Alten Museums oder des Schauspielhauses oder oberster Denkmalschützer Preußens war, sondern später auch Hofarchitekt des Kronprinzen wurde.
Mit seinen vielen Abbildungen, von denen 18 farbig sind, dem kommentierten und nach Hauptwerken unterteilten Literaturverzeichnis ist das Buch ein Kleinod, das alle begeistert, die sich auch nur ein Quentchen für Kunst oder Architektur interessieren.

 

C.H.Beck
Gebunden, 221 S.
22,95€

   trempler schinkel
     
Gaito Gasdanow
Das Phantom des Alexander Wolf

„Von allen meinen Erinnerungen, von all den unzähligen Empfindungen meines Lebens war die bedrückendste die Erinnerung an den einzigen Mord, den ich begangen habe."
Mit dieser Wucht beginnt ein kleines Meisterwerk!
Gaito Gasdanow dürfte den meisten Lesern vollkommen unbekannt sein.Als mittelloser Emigrant schlug er sich ab den 20er Jahren mit Taxifahren in Paris durch. 1929 erschien sein erster Roman Abend mit Claire, der ihn (in russischen Exilantenkreisen) berühmt machte, 1947 Das Phantom des Alexander Wolf in Amerika. Gasdanow schrieb immer Russisch, er wechselte nie die Sprache. Er wurde vergessen.
Rosemarie Tietze (Übersetzerin von Anna Karenina) hat Gasdanows Roman nun ins Deutsche übertragen und mit einem kenntnisreichen Nachwort versehen. Paris 1936 - der Ich-Erzähler, ein russischer Emigrant, erinnert sich an eine ihn traumatisierende Szene aus dem Russischen Bürgerkrieg: Er erschoss sechzehnjährig einen Reiter und floh mit dessen Pferd. Jahre später entdeckt er ein Buch, in dem exakt diese Szene en detail aus der Perspektive des Erschossenen erzählt wird. Der Autor ist ein gewisser Alexander Wolf. Der Erzähler, als Journalist im nächtlichen Paris unterwegs, lernt eine geheimnisvolle, schöne Russin kennen und lieben und er muss erneut eine erschütternde Entdeckung machen.
Es ist ein philosophisch tiefgründiger, großartig komponierter, niemals kalter Text um die großen Themen Erinnerung und Schuld, Exil, Liebe, Tod und Verrat. Es geht weniger um die Ereignisse als um eine tiefe Seelenschau. Sprachlich und stilistisch von einer geradezu klassischen, „federnden Eleganz", einer ernsthaften, schlichten Schönheit.
Lieber Verlag, liebe Übersetzerin: wir möchten mehr von diesem Autor lesen!

 

Hanser.
Gebunden,190 S.
17,90€

  gasdanow
     
Wolfgang Hilbig
„Ich". Roman. 

Ein sprachmächtiger deutscher Autor, der leider viel zu jung verstorben ist:
Wolfgang Hilbig (1941 - 2007), zerbrochen am Widerspruch zwischen der Utopie einer gerechten, Gesellschaft und der politischen Realität der DDR.
Hilbig, gelernter Werkzeugmacher, körperlich kraftvoll und hell im Kopf, konnte riesige Heizungsanlagen am Laufen halten, aber auch Gedichte schreiben. Anfangs Vorzeigeexemplar des SED-Systems als „schreibender Arbeiter", verweigerte er sich sehr bald dem diktatorischen System, das zur Kontrolle, Einschüchterung und Disziplinierung seiner Staatsbürger einen riesigen Überwachungsapparat benötigte. 1985 durfte er in den Westen ausreisen, wurde jedoch dort nicht heimisch.
Ín seinem Roman „Ich" schlüpft er in die Rolle eines Literaten, der sich für das System einspannen lässt. „Frühzeitig hat man mich gelehrt, das man Vorteile für sich den Machthabern dieser Welt am schnellsten entreißt, wenn man es im Bündnis mit ihnen tut."
Unter dem Decknamen Cambert bespitzelt er für die DDR-Staatssicherheit die Berliner Literatur-Szene.
Hilbig nimmt uns Leser auf konspirative Schnüffelgänge seines Protagonisten durch Keller und Treppenhäuser und zu geheimen Treffs mit dem Führungsoffizier mit. Man glaubt den kalten Mief selber zu riechen: „ .. die üblichen Schwelgerüche von Kohle, die kühle salpetrige Ausdünstung alter Wände, die unter abblätternder Ölfarbe hervorkroch."
Er enthüllt die Gedanken- und Seelenwelt dieser gespaltenen Figur und seiner Auftraggeber in einer unvergleichlich variationsreichen, präzisen Sprache. Überhaupt spielt Sprache eine zentrale Rolle in diesem Roman: die Lyrik der Dichter-Dissidenten, die Sprache der Spitzelberichte eines Möchtegern-Literaten und die „Monstrosität" der Behördensprache (Operativer Vorgang, unerlaubte Kontaktaufnahme, Zielperson, diese „ unendlichen Genitive".
Wer erfahren will, wie die DDR wirklich war, kommt an diesem Roman, den Erzählungen und den Gedichten Hilbigs nicht vorbei.

 

Band V der Werkausgabe in sieben Bänden.
Hrsg. Jörg Bong, Jürgen Hosemann und Oliver Vogel.
S.Fischer Verlag
Gebunden
21,99 €.

  hilbig
     

Vladimir Sorokin
Der Schneesturm

Ein Landarzt und ein eigenwilliger Kauz sind mit einer Kutsche, gezogen von fünfzig miniaturgroßen Pferdchen unterwegs durch die russische Wildnis. Immer wieder kommen sie vom Weg ab und treten in die Einsamkeit und düsteren, lebensbedrohlichen Gefahren russischer Steppenwälder im tiefen Winter ein.
Mit viel Witz präsentiert Sorokin diese russische "Urlandschaft" und bricht seine meisterhaft realistischen Schilderungen durch Elemente der Groteske. Mit seinem Personal aus lebendigen Toten, Zwergen und Riesen, sowie dem Motiv der gefrorenen Nase spielt er mit der russischen Literaturtradition eines Tschechow, Gogol und Puschkin. Motive aus Märchen werden ebenso „zitiert" wie solche aus Grotesken.
Mancher mag das Bändchen dieses experimentierfreudigen Autors als Parabel auf die Zustände im heutigen Rußland lesen. Das schmale Buch sei allen Freunden skurriler Schaurigkeit und intelligenter Komik empfohlen.

Kiepenheuer & Witsch
Gebunden, 208 S.
17,99€

   sorokin
     

Graham Chapman
Autobiografie eines Lügners


"...and now for something completely different." - eine Wendung, die jedem Monty Python - Liebhaber ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Und keine könnte diese irrwitzige, skurrile, surreale und tragikomische Autobiografie des früh verstorbenen Python-Mitgliedes Graham "Brian" Chapman besser beschreiben. Bereits 1980 erschienen, hat sich mit Harry Rowohlt nun endlich ein Übersetzer gefunden, der dieses vor Wortspielen, Sprachwitz und Anspielungen nur so sprühende Werk auch deutschen Lesern näher bringt. Neben der Arbeit mit Monty Python erzählt Chapman von seiner Jugend, seinen Jahren in Eton und Cambridge, seiner Zeit als Arzt und auch von seiner fatalen Beziehung zum Alkohol, sowie seiner eher spät entdeckten Homosexualität. Gespickt mit fantastischen Elementen, absurden Szenen, schwärzestem Humor und einer gehörigen Portion unverfälschter Britishness ist dieses Buch ein literarisches Leseerlebnis der Extraklasse - nicht nur für Python-Fans."Thank you very much".

Haffmans & Tolkemitt
Gebunden, 333 S.
21,95€

 

  chapman
     

Norbert Zähringer
Bis zum Ende der Welt

Ob rasante Entführungsgeschichte oder romantisch, populär-wissenschaftliche Sternenguckerei, ob fast Krimi oder historische Erzählung, ob Nachdenken über Zufall, Plan Gottes, das Verschwinden der Dinosaurier, Anfang, Mitte und Ende des Universums oder den Platz, den jeder einnimmt, das ist alles höchst unterhaltsam, aber immer sehr souverän erzählt.
Es gibt zwei Hauptstränge: der, der ukrainischen Deutsch- und Geographiestudentin Anna Tschertschenko, die nach dem Tod der Großmutter nur noch einen alkoholkranken, einbeinigen Vater ihre Familie nennen darf und sich so an eine Partnervermittlung („Transeuro-Wedding") wendet und bei Gerhard Laska in einer Reihenhaussiedlung in Berlin-Kladow landet. Laska, ein geheimnisvoller, umtriebiger, älterer Mann möchte seine letzten Monate, er hat Krebs, nicht allein sein und wünscht sich jemanden, der da ist um mit dem Blick zu den Sternen zu sterben.
Die zweite Geschichte ist die von Yuri Fernao Gouveia, einem portugiesischen Polizisten, der, in Deutschland groß geworden, nun auf dem südwestlichsten Wachposten Europas, am Kap San Vincente, nahe Lissabon, seinen Dienst verrichtet.
Irgendwann kreuzen sich beide Lebenswege und die Liebesgeschichte kann beginnen, die aber im Buch nicht erzählt wird. Das Buch ist der weite, weite Weg dorthin.

Ein gut, lebendig und souverän erzähltes Buch. Hier versteht einer das Handwerk des verzweigten Erzählens, legt viele Fäden aus und webt sie alle wieder gekonnt zusammen. Ein schönes Lesevergnügen bei dem man sich am Ende aller wilden Geschichten zum Trotz auch noch aufgehoben fühlt im Universum.

 

Rowohlt Verlag
Gebunden, 270 S.
19,95€

  zaehringer
     

Claude Lévi-Strauss
Anthropologie in der modernen Welt
Aus dem Französischen von Eva Moldenhauer

Mit einem Vorwort von Maurive Olender

 

Wenn aus einem kleinen Buch von 148 Seiten ein großes Buch werden kann, dann liegt es an seinem Gehalt. Lévi- Strauss bisher unveröffentliche Vorträge von 1986, gehalten in Japan, sind nicht nur eine Einführung in sein Denken, sondern auch Beleg für die Anwendung der Anthropologie als Kritik der modernen Welt. Die Krise der westlich- industriellen Welt wird dabei genauso beeindruckend skizziert, wie die Vielfalt der unterschiedlichsten Kulturen. Die anthropologischen Aufklärung untermauert die Haltung eines bedeutenden Humanisten.

 

Suhrkamp Verlag
Gebunden, 148 S.
22,95€

   levi strauss.dll
     

Hanjo Kesting
Grundschriften der europäischen Kultur
Mittelalter- Renaissance- Neuzeit

Erfahren, woher wir kommen

Der Literaturkritiker und Kulturjournalist Hanjo Kesting stellt in dieser Edition grundlegende Texte der europäischen literarischen Kultur vor. Ein in jeder Hinsicht gelungener Versuch, sowohl in der Auswahl, wie in der Vermittlung durch seine Essays, das große literarische Erbe Europas lebendig werden zu lassen, und den Wert von Traditionen zu erkennen.

 

Wallstein Verlag
3 Bde in Kassette, 408 S./ 392 S./ 400 S.
34,90€

   kesting
     

Andreas Wirsching
Der Preis der Freiheit
Geschichte Europas in unserer Zeit

Das Buch des Münchner Zeithistorikers erscheint als ein Wagnis, wie das Projekt das er beschreibt eines ist.Wagnis deshalb, weil Geschichtsschreibung über eine Epoche, deren Ende noch nicht ausgemacht ist, zu viele Imponderabilien birgt, abschließende Urteile nicht geraten sind. Trotzdem ist hier soviel gelungen, dass dies zu lesen nur zu empfehlen ist. Das Europa heute ist das Ergebnis der großen europäischen Geschichtsstunde- Gemeinsam aus der Geschichte lernen. Die Krise Europas- das Ergebnis von Fehlern und Übereiltheiten im politischen Prozess.

Andreas Wirschings Buch ist Zeitgeschichtsschreibung, wie man sie sich wünscht.

 

Beck Verlag
Gebunden, 487 S.
26,95€

   wirsching
     

 

Robert Spaemann
Über Gott und die Welt
Eine Autobiographie in Gesprächen

Das war eine gute Idee von Stephan Sattler, anläßlich des 85. Geburtstags von Robert Spaemann, den Philosophen, nach seinem Leben, seinem Denken und Nachdenken zu befragen. Auch wer nicht immer und überall bereit ist diesem konservativen und katholischen Denker zu folgen, ein anregendes und inspirierendes Buch ist es allemal und ein intellektuelles Vergnügen dazu. Spaemann ist klar in seiner Sprache und verfügt über eine gehörige Portion philosophischer Ironie. Philosophie erscheint bei ihm als die intensivste Lebensform. Eine Handreichung für alle, die dieser Lebenshaltung noch etwas abgewinnen können.

Klett- Cotta Verlag
Gebunden, 350 S.
24,95€

  robert spaemann gott.dll
     
Jörg Baberowski
Verbrannte Erde
Stalins Herrschaft der Gewalt


Baberowskis neues Buch über Stalins Schreckensherrschaft ist nicht nur die Revision an der ehemals eigenen Position ( Der rote Terror, 2003), sondern auch eine Neubewertung der Rolle von historischen Persönlichkeiten in der Geschichte.
Nicht allein die Strukutren von Gesellschaften sind entscheidene, sondern auch die Charaktere der politisch Handelnden. Wenn Skrupelosigkeit und kriminelle Energie mit politischer Macht zusammenkommen, beschönigt durch eine Ideologie, entsteht eine menschenverachtende Gewaltherrschaft, wie im Falle Stalins.
Baberowskis Studie ist ein grundlegendes Werk, ein bedeutendes Werk der Geschichtsschreibung, ein notwendiges Werk zur Bewertung der Schrecken des 20. Jahrhunderts.
Der Leipziger Buchpreis 2012 für den Autor ist die angemessene Würdigung dieses Werkes.

C.H. Beck Verlag
Gebunden, 606 S.
29,95€
  baberowski erde.dll
     

Stephen Greenblatt
Die Wende
Wie die Renaissance begann


"...Möge es sich in der Hand dessen, der es stiehlt oder ausleiht und nicht zurückgibt, in eine Schlange verwandeln und diesen zerfleischen (...) mögen die Flammen der Hölle auf ewig an ihm zehren ..." - so und ähnlich lauten Bannsprüche, mit denen Klosterbibliotheken des 14. und 15. Jahrhunderts ihre wertvollen Schätze an Büchern vor diebischen Begehrlichkeiten, allerlei Getier und anderen Katastrophen zu bewahren versuchten.
Ist uns heute freie Verfügbarkeit und Zirkulieren von Wissen selbstverständlich, so war es zu Zeiten Poggio Bracciolinis, den der Leser auf seiner detektivischen und leidenschaftlichen Suche nach Büchern begleit, äußerst anfällig.
Stepen Greenblatt, Professor für Englische und Amerikanische Literatur in Harvard, lenkt den Blick kenntnisreich und wunderbar lebendig auf eben jene Fragilität von Wissenträgern und Wissen, fragt, woher es kommt, wie es tradiert wird und wie Wissen das Denken ganzer Epochen stimulieren aber auch in große Krisen stürzen kann.
Verschwörungen, Aufstände, Pestepidemien sind die äußeren Konstanten, die den Renaissancemenschen und Humanisten Bracciolini auf seinen mühe- und gefahrvollen Reisen nach Erweiterung des eigenen Horizontes begleiten - immer gegen die Hemmnisse seiner Zeit, im Bemühen sich innerlich vom "Druck der Welt" frei zu machen, gelingt ihm die Auffindung des bis zu diesem Zeitpunkt im Jahr 1417 verschollenen antiken Buches von Lukrez "De rerum natura"; später wird dieses Wissen durchaus ebenso wieder "versinken" - und neben dem Buch selbst sind auch die möglichen Orte seiner Auffindung Diskussionsgegenstand langjähriger Forschung.
Ausgestattet mit profundem Wissen um die mühevolle Rekonstruktion u.a. antiker Texte aus Papyri und Pergamenten, aus teilweise mehrfach überschriebenen Kopien, gelingt Greenblatt eine wunderbar lesbare, manchmal etwas zugespitzte Darstellung der Zusammenhänge. Reich an Geschichten und klug geschildert verleitet er den Leser andere Zeiten intensiv erschließen zu wollen und im Medium Buch zu versinken. So formuliert Poggio Bracciolini gegen die Katastrophen seiner Zeit wunderbar:
"...Laßt uns unsere Muße mit Büchern verbringen, die alle diese Sorgen von uns nehmen und uns lehren werden zu verachten, was manche Menschen ersehnen...".

Siedler Verlag
Gebunden, 352 S.
24,99€

  die wende
   

Immer auf der Hut
Ost- Schüler in Westberlin.
Als die Mauer dazwischen kam.


„50 Jahre nach dem Bau der Berliner Mauer erinnern wir Ostklassen-Schüler des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums in Berlin-Reinickendorf uns an unsere Schulzeit als Grenzgänger, Flüchtlinge und Abiturienten des Sommers 1961. Die Errichtung der Mauer verlangt von den Schülern, die noch im Ostteil der Stadt wohnen, blitzschnelle Entscheidungen ab: fliehen oder bleiben, Familie oder geistige und politische Freiheit.

Mit „geliehenem" West-Ausweis durch die Grenzkontrolle, Fluchten durch Abwasserkanäle unter selbstloser Hilfe von Mitschülern und Lehrern, 3 Jahre im Zuchthaus Bautzen nach gescheitertem Fluchtversuch, die Ermordung unseres Mitschülers und Fluchthelfers Dieter Wohlfahrt am Grenzzaun – all das gehört zu unserer Reifeprüfung 1961".

Jetzt ist die 3.Auflage dieses Buches, erweitert um zwei Beiträge, lieferbar.

Leserin Dr. Karin K., die in Berlin diese Zeit selbst miterlebt hat, schreibt:
„ Ich hätte nicht gedacht,dass ich es so spannend finde, diese Lebensläufe und Erfahrungen auf mich wirken zu lassen. Schließlich meinte ich, alles gut zu kennen."

Schüler der Klasse 10 c des Humboldt-Gymnasiums Potsdam nach einer Lesung:
„Zum besseren Verständnis tragen auch die näheren Ausführungen von Veronika Wabnitz vom Zeithistorischen Institut bei. Dass es in den 50er Jahren Ostklassen an Westberliner Schulen gab, war uns völlig neu. Eine tolle Geschichtsstunde außerhalb der Schule!!!"

Verlag Schleichers Buchhandlung
Gebunden, 224 S.
13,00€
Bestellungen nimmt Schleichers Buchhandlung entgegen.

  Umschlag 1 2.1  rot
     
Dea Loher
Bugatti taucht auf

Dea Loher, einigen bekannt als viel gespielte Dramatikerin auf Deutschlands Bühnen, hat ihren ersten Roman geschrieben.
Es ist die Geschichte eines brutalen Mordes an einem jungen Mann, 2008 so geschehen in Locarno/Schweiz. Luca wird bei einem Fasnachtsfest von drei Jugendlichen angerempelt, geschlagen und getreten. Er stirbt.
Die kleinteiligen Aussagen der Angeklagten vor Gericht machen den Hergang nicht transparent, die Schuldfrage ist nicht eindeutig zu klären. Und selbst wenn, eine solche Tat steht unbegreiflich und groß da in der Welt. Zu verstehen gibt es da nichts. Jordi, ein Freund der Familie des Ermordeten, ein Grübler und hochsensibler Tiefenbohrer, hat eine ganz andere Idee, diesem unglaublichen Geschehen etwas entgegenzusetzen, „etwas Schwerwiegendes, das man nicht ignorieren, nicht weg messen, nicht verwerfen konnte, etwas gutartig Schönes, dessen Krafteinen Teil der Gewalttat überstrahlen könnte; ... ein Riesending, ein Zartes." Und so kommt es, dass er einen alten Bugatti Typ 22 Brescia aus dem Lago Maggiore birgt, der dort seit siebzig Jahren im Schlamm des Sees liegt.
Alles so geschehen, nichts erfunden.
Dea Loher hat aus diesem Stoff einen sehr feinen, kunstvoll komponierten und stilistisch und sprachlich höchst bemerkenswerten Roman gemacht, dessen Symbolik niemals übertrieben wirkt.
Ein Buch, das im Leser Spuren hinterlässt.
Großartig!

Wallstein Verlag
Gebunden, 208 S.
19,90€
  bugatti taucht auf loher.dll
     
Lisa Kränzler
Export A

"Export A" ist ein eindrucksvoller Debüt-Roman, der vor allem durch seine expressive und schöne Sprache besticht; die Erzählerin findet ungewohnte, aber um so treffendere Bilder für die Erlebnisse der 16-jährigen Austauschschülerin Lisa. Die Protagonistin sucht in ihrem Jahr in Kanada den perfekten Moment, sehnt sich nach Lebendigkeit und Geborgenheit, verliert jedoch mehr und mehr nicht nur die Reste ihrer jugendlichen Naivität, sondern auch jegliche Bodenhaftung, sieht den Abgrund immer klarer, und versucht, ihm zu entgehen. Aber ihre Welt wird im metaphorischen wie buchstäblichen Sinne immer kälter und enger. Sie lebt als einziges weibliches Mitglied einer verwahrlosten Kiffer-WG am Existenzminimum, kann das Haus wegen der arktischen Temperaturen irgendwann kaum noch verlassen, steigert sich auf allabendlichen Parties in Alkohol- und Drogenexzesse hinein bis es schließlich zur Katastrophe kommt. Definitiv kein Jugendbuch zieht Export A durch einen meisterhaften Sprachgebrauch in Bann, der dem Leser die ganze Komplexität des Unschulds- und Sinnverlustes der Welt Lisas aufzeigt. Kränzler schreibt schonungslos, unaufgeregt und gerade dadurch einfühlsam – "Export A" ist ein berührender Roman, den man so schnell nicht vergisst.

Verbrecher Verlag
Gebunden, 256 S.
21,00€
 
export a
     
Ivan Klima
Stunde der Stille

Ivan Klima, einer der wichtigsten tschechischen Autoren der Nachkriegszeit und einer der Wortführer des „Prager Frühlings", stellt seinen ersten Roman – aus dem Jahre 1963 – vor. Ein Schlüsselroman der tschechischen Literatur, zum ersten Mal in deutscher Übersetzung.

"ein wirklich großes buch! ...: ein jahrhundertroman, denn ich wüsste nicht, wo sonst in der europäischen literatur die phase des scheiterns des aus-guten-gründen-besser-machen-wollens nach diesem scheißweltkrieg besser, dh differenzierter und unideologischer und menschennäher sowie poetischer dargestellt worden wäre...
daran müsste eigentlich die "kritische" ddr-literatur gemessen werden, daran sieht man erst, was sie nicht geleistet hat oder nicht leisten konnte."
Friedrich Christian Delius

Transit Verlag
Gebunden, 256 S.
19,80€


   stunde der stille
     

 

 
   

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