Matthias Bormuth. Trapezkünstler. Der Fall Kafka

Berenberg Verlag
Von Manès Sperber habe ich als Student, in gewissem Sinne tüchtig, alles Wichtige gelesen, doch die Formulierung „das Unglück, begabt zu sein“ ist mir – spätpubertär ? - näher geblieben als die großen Bände Sperbers. Eine Untrennbarkeit von „hoher Sensibilität und psychosomatischer Vulnerabilität“ (Bormuth), wie sie nicht nur von Max Weber und Aby Warburg berichtet werden, ist für Matthias Bormuth ein herausforderndes Thema. Aber seltsam, diese physisch-psychische Verbundenheit versucht der Autor in einem Gespräch aufzunehmen.
Hören wir zuerst Dora Diamant: „Das Unheimliche an Kafkas tödlicher Krankheit war ihr Ausbruch. Ich spürte es, dass er ihn gerade mit Gewalt herbeigezwungen hatte. Er kam für ihn wie eine Befreiung: Nun war ihm die Entscheidung aus der Hand genommen. Kafka begrüßte die Krankheit direkt.“
Diesem tief Rätselhaften im Leben, Schreiben und Krankheit will Bormuth in einem fragenden Gespräch mit dem heute kenntnisreichsten Kafkaforscher nachgehen; er spricht mit Reiner Stach.
Das völlig unambitionierte, nahezu freundschaftliche Gespräch ist eine Wohltat! Einer sucht, einer weiß Wege – eine Wohltat, klänge es nicht so kommerziell: ein Gewinn, es „lohnt“, ein Weg zum Verstehen. Das Gespräch macht das Buch zu einem wunderbaren Schlusspunkt des Kafka-Jahres und zu einem anregenden Start künftiger Forschungen. Über das Gespräch hinaus gibt es eine Vielzahl von Beobachtungen zu Leben und Werk, Menschen und Orten in Kafkas Welt. Der Autor weiß sehr wohl in diese einzuführen. Er schließt mit einem Wort Kafkas zur Verteidigung Dostojewskis, dem seine vielen geistig Kranken vorgeworfen wurden:
„Vollständig unrichtig. Es sind nicht geistig Kranke. Die Krankheitsbezeichnung ist nichts als ein Charakterisierungsmittel und zwar ein sehr zartes und sehr ergiebiges.“
160 Seiten
24€