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Romane

Denis Osokin. Goldammern

Aus dem Russischen von Christiane Körner
ciconia ciconia
 
Goldammern heißt eine Erzählung in dem gleichnamigen Band von Denis Osokin, soeben beim ciconia ciconia Verlag erschienen, der Künstlern aus Osteuropa und aus dem postsowjetischen Raum ein Forum bieten möchte.
Adebar ist Fotograf im Papierkombinat von Neja im Verwaltungsbezirk Kostroma. Als sein Direktor Miron ihn bittet, ihm behilflich zu sein, nach Art der Merja seine vergangene Nacht verstorbene Frau Tanja zu verbrennen, ist er einverstanden. Gemeinsam ziehen sie Tanja aus und wieder an und flechten ihr, wie bei den Merja üblich, bunte Bänder ins Honig-und-Brot-Haar. Mit der »tief toten« Tanja auf der Rückbank, und zwei Goldammern, die Adebar zuvor auf dem Markt gekauft hatte, fahren sie los ans Ufer der Oka. Dort war Miron mit Tanja einst als junger Mann im Honigmond glücklich - und auch das gehört zur Tradition: viel »Rauch machen« und vom Honigglück erzählen.
So wie die Goldammern sind auch die anderen Geschichten von Denis Osokin - voller Fantasie und Poesie flattern sie traumgleich über der Wirklichkeit und werden von geografischen und ethnischen Koordinaten nur scheinbar am Boden gehalten und in der Realität verankert.
Goldammern, das vom ciconia Verlag in einer geschmackvollen, limitierten Ausgabe mit hübschen schwarz-weißen Abbildungen herausgebracht wurde, war schon als „Stille Seelen“ auf Festivalleinwänden erfolgreich. Nun hoffentlich als Buch. Es sei allen Bibliophilen, Neugierigen, Fans der russischen Avantgarde und Lesern der Lyrik ans Herz gelegt, und ebenso allen, die wissen möchten, was das weite Russland außer Putin noch zu bieten hat.

 
206 Seiten
€ 25,-
 
 
Dieses Buch ist nicht im Onlineshop erhältlich, dafür im Laden.

Giulia Caminito. Ein Tag wird kommen

Aus dem Italienischen von Barbara Kleiner
Wagenbach Verlag
 
Wenn die Raben mit einer Familie am Tisch essen, so schreibt die Autorin, will das nichts Gutes heißen. Der Tisch steht in Serra de Conti in den italienischen Marken, im Hause der Familie Ceresa, dessen Oberhaupt Luigi, wie schon Generationen vor ihm, der Bäcker im Ort ist. Seine Frau ist halb blind, seine Kinder sterben, nur wenige sind ihm geblieben. Darunter Lupo und Nicola. Letzterer ist ein schreckhafter Sonderling, er liebt die Buchstaben und ist zu nichts zu gebrauchen. Ersterer lernt schon als Kind hart auf den Feldern zu arbeiten, er streift umher und entdeckt die Armut der Bauern, die Land bestellen, das ihnen nicht gehört. So verschieden die Brüder auch sind, wenn sie Trost suchen, schlafen sie noch als Jugendliche im selben Bett. Aber es gibt Krieg und es ist ein großes Unglück, dass der schwache Nicola eingezogen wird. Lupo fühlt sich schuldig, weil er seinen Bruder nicht mehr beschützen kann. Er wächst zu einem wütenden jungen Mann heran, der sich den Anarchisten anschließt und seinen eigenen Krieg führt – gegen Armut, Elend, Unterdrückung und Abhängigkeit.
Caminito fand den Romanstoff in der Geschichte ihrer eigenen Familie, insbesondere ihr Urgroßvater stand dafür Modell, aber auch die noch heute im Kloster von Serra de Conti verehrte Äbtissin Zeinab Alif alias Maria Giuseppina Benvenuti. Geschickt verquickt die Autorin ihre Fiktion mit der Geschichte Italiens – mit der anarchistischen Bewegung, dem Ersten Weltkrieg, Mussolini und der Spanischen Grippe, über die sie schreibt: »Drei Tage genügten und Addio, am ersten Tag kam das Fieber, am zweiten barst einem die Lunge, und am dritten bekam man keine Luft mehr.« Ja, das kommt uns bekannt vor.
Eine tolle Empfehlung für alle Gerneleser von Francesca Melandri.nc

 
272 Seiten
€ 23,-

Anne Carson. Rot. Zwei Romane in Versen

Aus dem Englischen von Anja Utler
S. Fischer Verlag
 
Geryon verliebt sich unsterblich in Herkules. Sie haben eine Affäre bis der umtriebige Herkules weiterzieht und Geryons junges Herz in großen aber produktiven Liebeskummer stürzt. Einen Weg hinaus findet er in und mit der Kunst.
Ja, richtig gelesen. Und nein, Herkules stiehlt diesmal keine Rinderherde von der Insel Erytheia. Ganz im Gegenteil. Herkules ist ziemlich beschäftigt, die Welt mit seinem Charme um den Finger zu wickeln und dabei seiner Abenteuerlust nachzugehen.
Die kanadische Altphilologin und Dichterin Anne Carson taucht alte Mythen in ein neues Licht: Sie ermächtigt sich mythischer Figuren und erzählt eine andere Geschichte in Versform. Das geschieht in einer sprachlichen Kunstfertigkeit (kongenial übersetzt von Anja Utler), der man selten begegnet. Andauernd muss man pausieren, die letzten Verse repetierend, damit man auch nur nichts verpasst, denn die Assoziationsräume sind grenzenlos. Grenzen kommen sowieso nicht vor, nicht im Text und auch nicht in der Form. Ein absoluter Lesegenuss für Abenteuerlustige. hd

 
320 Seiten
€ 24,-

Anne Weber. Annette, ein Heldinnen-Epos

Verlag Matthes & Seitz Berlin
 
Eine Heldinnengeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts in Form eines Epos verfasst - kann man denn sowas für die heutigen Leser schreiben? Werden sich einige Verlage gefragt und dankend abgelehnt haben, bis der unerschrockenste aller Verleger, Andreas Rötzer, das literarische und inhaltliche Potential dieses wahren Meisterwerks erkannt und in seinem unverwechselbaren Verlag Matthes & Seitz verlegt hat.
Leicht lesbar, auf traditionelle Reimform und strenges Versmaß verzichtend, weder ausschweifend noch überladen, hinreißend frei im Umgang mit Tradition und Regeln unterläuft Anne Weber all diese, unsere Vorstellungen und Bilder, wenn wir das Wort (Heldinnen)Epos lesen.
Sie hätte sich nicht vorstellen können aus der Lebensgeschichte der französischen Widerstandskämpferin Anne Beaumanoir einen traditionellen Roman zu machen, zu wenig Distanz und am Ende zu wenig Freiheiten, was das Schreiben betrifft, sagt sie in einem Interview.
So lesen wir eine hinreißende Erzählung über eine mutige, unerschrockene Frau, die mit nicht einmal achtzehn Jahren in den französischen Widerstand schlittert, mit dem Fahrrad kleine Päckchen von hier nach da transportiert und dann mit diesen unauffälligen Fahrten und den ersten „klandestinen“ Treffen plötzlich mittendrin steckt in einem Leben und Tun, dass nicht immer das Recht auf seiner Seite weiß - aber die Gerechtigkeit.
Der aktive Kampf in der Résistance gegen fremde Besatzer wird nach dem Krieg geadelt, was aber, wenn man gegen das eigene Volk als Besatzungsmacht in Algerien erneut in den Widerstand geht? Annette hat ihre festen Überzeugungen und ihr Tatendrang scheint schier ungebremst. Der Staat antwortet mit Gefängnis, Annette mit Flucht.
„Der Kampf, das andauernde Plagen und Bemühen hin zu großen Höhen, reicht aus, ein Menschenherz zu füllen. Weshalb wir uns Sisyphos (Annette) am besten glücklich vorstellen."
Ein Buch, so klug wie herausfordernd, so frisch wie radikal - ein unvergessliches Leseabenteuer. Ausgezeichnet mit dem Deutschen Buchpreis 2020. sg

 
207 Seiten
€ 22,-

Richard Middleton. Das Geisterschiff

Aus dem Englischen übersetzt von Andreas Nohl
Steidl Verlag
 
Andreas Nohl gibt in der Reihe Steidl Nocturnes kleine, feine Bücher heraus, welche sich mit dem Dunklen und Abgründigen beschäftigen. „Das Geisterschiff“ ist nun als drittes Buch der Reihe erschienen.
Es sind dreizehn kurze Erzählungen, die mitunter daherkommen wie Sagen, Märchen oder alte Gruselgeschichten. Es sind Erzählungen von Menschen, denen etwas Seltsames widerfährt, die an den Rändern des Lebens unterwegs sind. Dort, wo sich eine vermeintliche Realität mit anderen Dingen vermengt. Doch trotz aller Abwegigkeit und dramatischem Geschehen, blitzt hie und da auch ein Funken Humor auf.
Beim Lesen hört man fast die Stimme der alten Frau am Feuer, die einem gerade diese Geschichte erzählt, so dass man mit einem leichten Schaudern im Rücken ins Bett gehen muss.
Richard Middletons Leben war weder von großem Glück noch von großem Erfolg gekrönt. Erst nach seinem Tod wurde er bekannt. Das tat seinem Drang zu schreiben keinen Abbruch. Zum Glück für die heutigen Leser.

128 Seiten
€ 18,-

Fabio Andina. Tage mit Felice

Aus dem Italienischen von Karin Diemerling
Rotpunkt Verlag


Es passiert nicht viel in diesem Buch. In einem Bergdorf im Tessin, in dem nur wenig Leute leben, in dem ein Bauer noch die letzten Kühe hat, in dem allerdings auch eine Bar gibt, lebt der neunzig Jahre alte Kauz Felice. Diesen begleitet eine Woche lang der moderne junge Ich-Erzähler in diesem kleine Roman und passt sich dessen Lebensgewohnheiten an. Beinahe vor Sonnenaufgang, meist vor dem ersten Hahnenschrei steht der Alte auf, geht meist barfuß in den nahegelegenen Kiefernwald, um in einer sogenannten Gumpe ein kaltes Bad zu nehmen, auch bei Regen, auch bei Schnee. Danach hackt er Holz, sammelt Früchte, sucht Pilze, besorgt Käse. Im Zuge dieser Entschleunigung erlebt der junge Mann, was wirkliche Dunkelheit ist, erlebt bisher ungehörte Stille, nimmt mit allen Sinnen die Natureindrücke wahr und erfährt manch anderes Geheimnis von dem wortkargen alten Mann – und die Lesenden mit ihm. Dieses handlungsarme Buch über ein in die Natur eingebettetes Leben ohne Ablenkung ist übrigens niemals langweilig, im Gegenteil, es ist eine beglückende Lektüre! kp


240 Seiten
€ 24,-

Richard Ford. Irische Passagiere

Aus dem Englischen von Frank Heibert
Verlag Hanser Berlin


Richard Ford gehört zu den wichtigsten US-Amerikanischen Gegenwartsautoren. Neben zahlreichen Romanen, unter anderem mit dem Pulitzer Prize ausgezeichnet, hat der jetzt 76jährige immer wieder auch Kurzprosa vorgelegt, komprimierte Meisterwerke von sprachlicher Brillanz und scharfsichtiger Analyse der amerikanischen Zeitstimmung.
„Das war typisch Maine, diese Aura von Ereignissen, die man gerade eben nicht mehr sehen konnte. Heimlich, aber eigentlich nicht geheim.“
Richard Ford lebt in Maine, und in seinem jüngsten, jetzt vierten Erzählungsband schärft er (wieder einmal) den Blick für die psychischen und moralischen Muster hinter den scheinbar glatt sich abspulenden Lebensläufen seiner konventionellen Figuren. Die meisten Mittelstandsamerikaner mit irischen Wurzeln, sind sie alles andere als in sich gekehrte, vom Leben gebrochene Charaktere. Sie geben durchaus gern etwas von sich preis, sind pragmatisch agierende Passagiere im eigenen Leben, die sich mit den anfallenden Gegebenheiten arrangieren wollen.
„Seiner Meinung nach passierten die meisten Ereignisse so, wie sie sollten.“
Eigentlich kann ihnen nicht viel passieren, in der breiten Spanne ihrer Lebensmitte. Profitable Berufe und abbezahltes Eigentum geben Sicherheit, „das Leben versuchte gut zu verlaufen“. Und dann passiert ihnen doch etwas: Ehescheidungen, Affären, überraschende Todesfälle, angeknackste Eltern-Kind-Beziehungen. Wie sie in die Wirren ihrer bürgerlichen Biografie geraten und sich dort einrichten, daraus leiten die Figuren nur jene Erkenntnisse ab, die ihre Gewissheiten nicht allzu sehr in Frage stellen. Schmerzen und Verluste stehen einer Lebensroutine gegenüber, an der sie oft mit einer coolen Unbedingtheit festhalten. Hauptsache weitermachen.
„Etwas geschieht und scheint das ganze Leben zu verändern, und dann raspelt sich alles zum erträglichen Maß zusammen.“
Richard Fords Kunst besteht gerade darin, seine Figuren in ihrem Weiter-so nicht nur mit kritischer Klarheit zu beleuchten. Über die Risse und Unwuchten in ihrer gut und situiert scheinenden Existenz schreibt er mit einer Zärtlichkeit und einem Blick des Mitgefühls, derer sie so sehr bedürfen. Als Leserin und Leser erfährt man nur ein Bruchstück ihrer Biografie, deren Kipppunkte und daraus resultierenden emotionalen Konsequenzen der Autor sprachlich meisterlich erfasst. Literatur, sagt Richard Ford, kann einen dazu bringen, sich mehr für das eigene Leben zu interessieren. Und es tröstlicher zu betrachten, möchte man nach diesem Buch hinzufügen.
be

288 Seiten
€ 22,-

HELEN WOLFF. HINTERGRUND FÜR LIEBE

Weidle Verlag

Anfang der Dreißigerjahre - in Deutschland sind Hitler und Hindenburg allgegenwärtig, als sich ein Paar aufmacht, den Sommer in Südfrankreich zu verbringen. Er, weltgewandt, selbstsicher, überlegen, Sie, seine 20 Jahre jüngere Geliebte, noch etwas unerfahren, verliebt und voller Vorfreude auf die gemeinsame Zeit. Doch schnell muss sie feststellen, dass ihrer beider Vorstellungen sehr voneinander abweichen, sie wird bevormundet, ihre Wünsche übergangen. Und so macht sie sich auf, ihren eigenen Weg zu finden und in einem kleinen, idyllischen Häuschen in Saint-Tropez ihre Träume zu verwirklichen...
Die Verfasserin dieses autobiographischen Romans, Helen Wolff, die als Verlegerin an der Seite ihres Ehemanns Kurt Wolff eine Legende wurde, hat ihre literarisches Werk zu Lebzeiten unter Verschluss gehalten. Ihre Großnichte Marion Detjen hat das mit dem Hinweis "At my death, burn or throw away unread" versehene Manuskript von "Hintergrund für Liebe" nun zur Veröffentlichung gebracht und mit einem umfangreichen, einordnenden Essay Versehen. Ein Glück für das Publikum, das nun in den Genuss dieser lebensfrohen, von Sinneseindrücken überbordenden Lektüre kommen, die ihre LeserInnen von Anfang an packt und in eine andere Zeit entführt. Ein wundervoller Roman, voller Intensität und Leichtigkeit! mk

216 Seiten
€ 20,-

 
 

NICOLAS MATHIEU. ROSE ROYAL

Aus dem Französischen von Lena Müller und André Hansen
Hanser Berlin Verlag
 
Rose ist fast fünfzig, noch immer attraktiv, aber von den vielen kleinen und großen Enttäuschungen des Lebens desillusioniert und abgehärtet. Nach diversen Erlebnissen mit gewalttätigen Männern hat sie sich einen Revolver angeschafft, den sie immer bei sich trägt - sie hat genug von der Opferrolle, sie will, "dass die Angst die Seiten wechselt". In ihrer Stammbar kommt die Waffe zum Einsatz, als ein Fremder mit einem verletzten Hund ins fröhliche Gelage platzt. Der charmante Hundebesitzer - Luc - und Rose finden Gefallen aneinander, sie scheinen viel gemeinsam zu haben… Ob es dieses Mal gut gehen kann?
Mit dieser Novelle zeichnet der Lothringer Nicolas Mathieu, Prix-Goncourt-Preisträger 2018, ein weiteres Mal ein Bild der Melancholie des Alltags und des Daseins - nicht nur - in der Provinz; er erzählt von gescheiterten Beziehungen, Gewalt, Abhängigkeit und Angst vor der Einsamkeit. Mit seiner lakonischen Sprache und pointierten Sätzen, deren ungeschönte Wahrheit den Lesenden geradezu nach Luft schnappen lassen, entwickelt "Rose Royal" stetige Spannung und eine unwiderstehliche Sogwirkung. Hätte das Buch doch nur mehr Seiten! mk
 
96 Seiten
€ 18,-

Marko Martin. Dissidentisches Denken


Die Andere Bibliothek
 
Dissidentisches Denken, das Denken gegen totalitäre Regime, ist meist inmittelbar verknüpft mit einem frei gewählten Leben gegen die Herrschenden. Von mutigen Menschen, die das gewagt haben, hat es im 20. Jahrhundert viele gegeben. Das Buch des Berliner Journalisten und Schriftstellers Marko Martin stellt uns einige dieser mutigen Menschen vor.
Wer schon immer Interesse hatte an den intellektuellen und immer auch emotionalen Kämpfen im Widerstand gegen unterdrückerische Systeme und Ideologien, wird hier reich beschenkt. Es treten auf: Arthur Koestler, Manes Sperber, Hans Sahl, Edgar Hilsenrath und viele andere. Aber auch wenig bekannte, großartige Menschen wie Mariana Frenk-Westheim oder Anna Ranasinghe lernen wir kennen. Martin lässt sich von seiner eigenen Neugier leiten und das gibt der Darstellung etwas sehr lebendiges.Eines aber wird bei der Lektüre sichtbar: das Ringen um Freiheit und Wahrheit ist immer nötig und oft möglich! kp
 
544 Seiten
€ 42,00

Jami Attenberg. Nicht mein Ding


Aus dem Englischen von Barbara Christ
Verlag Schöffling & Co
 
Andrea ist Ende 30, abgebrochene Kunststudentin, »im Prinzip Jüdin«, falls das eine Rolle spielt, und sie lebt in New York. Von ihrer ersten eigenen Wohnung aus, einem kleinen schäbigen Loft in Brooklyn, malt sie jeden Abend das Empire State Building, sechs Jahre lang, bis ein Neubau ihr die Aussicht versperrt. Der Job, den sie gefunden hat, macht sie nicht glücklich, sie hasst ihn sogar, aber immerhin lässt er die anderen Menschen in ihrem Leben aufatmen, weil er ihr scheinbare Sicherheit verschafft. Denn es sind die anderen, die mit Andreas Lebensart nicht zurechtkommen. Es sind die anderen, denen sie Angst macht - mit den wechselnden Männerbekanntschaften, mit dem Job, der nicht ihrer Selbstverwirklichung dient, mit der Überzeugung, dass sie kein Kind braucht. Sicher, Andrea zweifelt auch, aber sie weiß: »Die Beständigkeit meiner Unbeständigkeit. Sie gehört zu mir, so stehe ich da."
Als die Mutter aus New York wegzieht, ist das ein großer Einschnitt für Andrea. Jetzt muss sie allein zurechtkommen in der Stadt, ohne ihre unkonventionelle und streitbare Mutter. Es ist vielleicht ihr Moment des Erwachsenwerdens, ein Moment, in dem das Buch an Größe gewinnt, weil es schön ist zu erkennen, dass es mehr als nur einen Weg gibt, erwachsen zu werden, wenn man sich nur bewusst dafür entscheidet. Andrea ist eine spannende Figur, plastisch, nicht frei von Widersprüchen. Ebenso wenig geradlinig wie Andreas Leben ist die Erzählweise der Autorin: Der Text greift immer wieder bereits Erwähntes, scheinbar Belangloses auf und entwickelt auf diese Weise mit der Zeit eine schöne Tiefgründigkeit, die mit dem aufkommenden »Sex-and-the City-Gefühl« vom Anfang nichts mehr gemein hat. Nicht Ihr Ding? Vielleicht doch. nc
 
224 Seiten
€ 22,00

JACKIE THOMAE. BRÜDER

Hanser Verlag

Mick und Gabriel kennen sich nicht und auf ersten Blick wirken sie grundverschieden. Aber sie sind Brüder, Halbbrüder. Ihr Vater, ein Austauschstudent aus Senegal, bleibt nicht. Er geht zurück, um sich erst vierzig Jahre später wieder zu melden.

Man liest begierig beider Geschichten, verfolgt ihren Weg bis zur Lebensmitte. Die Figuren gehen einem nah und werden zu Personen, die man näher kennenlernen möchte. Das ist nur eine der großen Stärken dieses Buches. Denn Thomae lässt auch Berlin wiederauferstehen, als es noch eine riesige Versuchsanordnung war, von vielen Glücksrittern bevölkert wurde und niemand etwas mit den Begriff Gentrifizierung anfangen konnte. Mick nämlich, ist einer dieser Glücksritter, zur richtigen Zeit (90er Jahre) am richtigen Ort (Berlin natürlich) lässt er sich durch sein Leben treiben, ohne Ziel aber mit viel Spaß dabei.

Gabriel dagegen arbeitet, sehr viel, irgendwann zu viel. Er macht eine beeindruckende Karriere in London und versucht sein Leben planvoll zu gestalten. Klar, dass das irgendwann schief geht, oder doch nicht?

Leichtfüßig und elegant geschrieben, dabei keine Klischees bedienend, ist hier eine Philanthropin am Werk, die ihr Handwerk versteht. Denn am Ende des Buches angelangt, zwickt es einem im Gemüt, da man Mick und Gabriel nun verlassen muss und man doch hofft, einen von ihnen an der nächsten Ecke zu treffen. hd

429 Seiten
€23,00

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