Edith Pearlman: Honeydew

Ullstein
Wie kann es sein, dass wir bisher noch nichts davon wussten: Eine Schriftstellerin von unheimlicher Weisheit, eine Erzählerin in den Kleidern einer mal nüchternen, mal verzeihend zärtlichen Realistin, eine lustvolle Beobachterin – das ist Edith Pearlman. Endlich kann man die Kurzgeschichten dieser fast achtzigjährigen amerikanischen Ausnahmeschriftstellerin lesen und unumwunden den Worten ihres Verlegers zustimmen: „ Jedes Mal, wenn ich eine ihrer Kurzgeschichten zu Ende gelesen habe, fühle ich mich verstanden und versöhnt damit, dass ich ein Mensch bin". Die Menschen, und das wird in diesen 20 Geschichten so banal wie verblüffend klar, wollen einander lieben, sie sorgen sich, versuchen alles, um Garantien für ein halbwegs geglücktes Leben zu erhaschen. Und scheitern – weil sie sich sprach- und verständnislos gegenüber stehen, weil ihre Arglosigkeit nicht selten Oberflächlichkeit und Mutlosigkeit, „ein Ruch von Betrügerei" verrät. Und dann ist das Leben zu Ende: „ Dann würden sie aus der Geschichte entschwinden und alle ihre Ergänzungen und ihre Verlässlichkeit und Selbstverleugnung und Unzufriedenheit mitnehmen." Pearlman registriert das alles, wie eine Wissenschaftlerin ( Biologin, Anthropologin) zuweilen staunend auf diese seltsame Spezies Mensch blickt. („ Die Mutter: ein strenger Knoten, Zinn mit Bronze gemischt." „Er mochte Objekte von besonderer Schönheit wie die letzten rubinroten Tropfen in einer Flasche Hustensaft ...".) Und immer wieder unterläuft sie mit erzähltechnischer Finesse die Erwartungen, die man an den Verlauf einer Geschichte richtet, überrascht uns mit Wendungen, dass man ganz froh wird, weil der Mensch sich widersprüchlich, unerschrocken, unbezähmbar zeigen darf. Mrs. Pearlman weiß etwas über uns, das sie uns in dieser kristallin schönen Sprache beschreibt wie kaum eine andere Erzählerin. be
320 Seiten
20,00€
Sommer 2015