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Katja Lange-Müller: Drehtür

Verlag Kiepenheuer und Witsch

Asta Arnold war 22 Jahre als Krankenschwester im Dienst internationaler Hilfsorganisationen tätig, zuletzt in Nicaragua. Ein Leben lang sah sich berufen zu helfen, doch jetzt, mit 65, unterlaufen ihr Fehler, und sie ist nicht mehr erwünscht. Die Kollegen schenken ihr ein One-Way-Ticket nach Deutschland, für einen „Aus-Flug“, wie sie es mit perfidem Witz nennen. Nun steht Asta am Münchner Flughafen und raucht ohne Maß. Orientierungslos, was die Zukunft angeht, wird sie ergriffen von einem intensiven Erinnerungsstrom, ausgelöst durch vermeintlich bekannte Gesichter dies- und jenseits der Drehtür, die gleichsam als Scharnier ihrer Lebensstationen dient. Und wie Scheherazade erzählt, um ihr Leben zu retten, beginnt nun ein Rondo frei assoziierter Erinnerungen aus verschiedenen Zeiten, von verschiedenen Kontinenten, bei denen es um das Helfen geht und nicht selten um dessen Misslingen.
Anfangs aber bemerkt Asta, dass sie mit der deutschen Sprache „im Clinch“ steht, und so muss sie erst probieren, den inzwischen fremd klingenden deutschen Wörtern nachschmecken, ob sie eine Vertrautheit etwa in solchen wie Blitzgewitter und Muttersprache finden kann. Was ein Lebewesen ist, wissen alle. Aber ein Gesundheitswesen? „Helfen macht geil, machtgeil“, heißt es später. Und da ist er endlich wieder, der ganz besondere Katja-Lange-Müller-Sound, den wir vermisst haben sieben Jahre lang, seit dem großartigen Roman „Böse Schafe.“ Lakonisch, robust, sarkastisch, pointiert, unsentimental, solidarisch-zärtlich noch mit dem verwahrlosesten Freak. Doch noch hinter dem verschrobensten Kalauer verbirgt sich eine stille Weltweisheit, die sich, so will es scheinen, zunehmend in Weltskepsis wandelt.
„Ich habe viel über das Helfen nachgedacht als letzte Domäne des unreflektiert Guten“, so Katja Lange-Müller. „Gut ist ja nicht einfach gut. Das hatte ich schon bei meinem Roman „Böse Schafe“: die guten Guten, die bösen Bösen, die bösen Guten und die guten Bösen. Die guten Bösen sind wahrscheinlich die Variante, die die Menschheit am weitesten bringt...“ gw

224 Seiten
19,00€

Winter 2016