Cornelius Bormann. Die Grunewald-Gefährten. Freunde im Widerstand gegen Hitler

Osburg Verlag
Hans von Dohnanyi, Klaus und Dietrich Bonhoeffer, Justus Delbrück, Gerhard Leibholz
Das „Familiennetz der Grunewaldfamilien“, die Straßenverzeichnisse, einzelne Häuser, das Grunewald-Gymnasium, hätte der Verlag auch an den Anfang setzen können, denn es ist ein stimmenreicher Handlungsort, kein „Tatort“, aber eine aktive, lebhafte Lebens- und Gedankenlandschaft, ein kleiner Kulturstaat, der auch heute zur Begegnung auffordert, gewiss aufschlussreicher als die Reichstagskuppel, am besten mit dem gut bebilderten Band in der Hand, der auch heißen könnte „Von Heidi und Cornelius Bormann“, folgt man der Danksagung.
Genug des Krittelns – das Buch sammelt viel ein, beginnend mit einem Bild: Grunewald um 1900 und einer Portraitleiste der fünf Freunde – großes Lob der Umschlaggestaltung - so ein historisch ausgerichtetes Buch benötigt Neugierreize. Ja, es ist ein besonders berlinisches Buch, denn mit Max Planck und Walther Rathenau, Alfred Kerr, Samuel Fischer, Max Reinhardt und Walter Benjamin, Helene Lange und Gertrud Bäumer und vielen anderen sind einige hierher gezogen, die in Berlin etwas bewegten, doch das interessiert den Autor weniger; es sind diese fünf Freunde, die mit dem Erbe der Aufklärung, dem „Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“ plötzlich Ernst machen mussten und wollten. Zu ihnen gehörten die Schwestern Christine von Dohnanyi (deren Tochter manchmal – in welcher Tonlage? - zu wiederum ihrer Tochter sagte: „Du wirst noch an mich denken!“), weiterhin Sabine Leibholz und Ursula Schleicher (alle drei „geb. Bonhoeffer“), auch Emmi Bonhoeffer und Ellen Delbrück. Die Freunde waren ohne Schwestern und Ehefrauen nicht zu denken. Ihnen allen ging es nicht um den „Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen!“ Das taten sie, und vier der Männer bezahlten es 1945 mit ihrem Leben. Bormann flicht nicht aus fünf Biographien einen Strauß „Widerstand“, er webt an einem Geschichtsbild, das heute aufzuhängen wäre im Reichstag, in der Paulskirche, in jeder Universität. Viele originale Texte - „Nach zehn Jahren“ von Dietrich Bonhoeffer, „Meine lieben Kinder“ von Klaus Bonhoeffer -hält das Buch fest. Immer wieder öffnet es Seitenausgänge, nimmt Exkursionen hinzu, lässt die historischen Kontexte mitströmen, hält viele „sprechende“ Bilder bereit. Mit Enzensberger gesprochen, gehörte das Buch ins „Lesebuch für die Oberstufe“. In einer Zeit, die den „Mut zur Mündigkeit“ dringend benötigt, kann es zu einem personalen Katechismus des Widerstands werden. Helmut Ruppel
550 Seiten
26€