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Michel Bergmann. Mameleben oder das gestohlene Glück

Diogenes Verlag

Selbst Kees van Dongens „Maria“ auf dem Titelumschlag zeigt eine herrscherlich machtbewusste Frau, durchsetzungsbereit und gebieterisch – einfach stark, großartig und erdrückend.
Michel Bergmann rechnet mit ihr ab, dieser unerträglichen Mutter mit ihrer „toxischen Liebe, der Ursache für dieses Buch.“ Eine kluge Leserin hat geschrieben: „Zwischen Selbsttherapie und Kaddisch“ - so ist es! Er liebt sie ja, so wie sie dies fürchterliche Leben im Internierungslager (mit Marta Feuchtwanger und Hannah Arendt) übersteht, fliehen kann und bald „nicht mehr Herrin über ihr Schicksal ist“. Sie heiratet, wird rigorose Geschäftsfrau - „Sie haben mich lang genug getreten, jetzt trete ich“ - , perfekt, kaltschnäuzig, unbeliebt. Und der kleine Michel? 1945 geboren, wird er von den Eltern in die Obhut von Nonnen gegeben, sie ziehen nach Paris, später wird er nachgeholt, sie ziehen nach Frankfurt, dort haben Juden einen „kommerziellen Vorsprung“. Eine Familie wird es nicht, seine Mutter wirft ihm vor, er sei zu klein, zu pummelig, zu unsportlich, zu unauffällig. Ach, es ist schmerzlich zu lesen, wie er mit ihr abrechnet. Er fragt sich, ob ihr Leben ohne die Erfahrungen der Naziwelt ein gutes Leben gewesen wäre. Selbsttherapie und Kaddisch – Befreiung von ihrer atemabdrückenden Dominanz und tiefempfundenes Totengebet voll Liebe und Zuneigung in einem Text? Doch, es ist möglich! Die Trotzkraft seiner Liebe kann im Epilog schreiben: „Es umarmt dich mit unendlicher Liebe und Traurigkeit Dein Sohn.“ Das Buch überschreitet so unbarmherzig-barmherzig eine Grenze, dass man es „fassungslos“ aus der Hand legt – zum Weitergeben … Der Verlag schenkt zwei gute Zutaten: ein langes Glossar zu den jiddischen Begriffen und auf der Schlussseite „A jiddische Mame“, von Yellen und Pollack, 1925.
Helmut Ruppel

256 Seiten
25.00 €